Florian Huber im Interview mit Dr. Web

(Das Interview führte Michael H. Ragwitz am 10. Nov. 99 per eMail.)

Zoff um jeden Preis?

Immer wieder führen Domain-Namen zu strittigen Auseinandersetzungen. Manch einer sieht sein Namensrecht beeinträchtigt, andere mutmaßen die gezielte Ausnutzung von prominenten Domains durch ähnlich klingende Namen für eigene (Werbe-) Zwecke. Solchen Dingen kann man aus dem Weg gehen, wenn man einige Regeln beachtet.

Dr. Web befragte Florian Huber aus Starnberg. Der 26jährige Wirtschaftsjurist hat sich schon als Student mit der „Welt der Domain-Namen“ beschäftigt und sich dabei sowohl den juristischen Aspekten als auch der wirtschaftlichen Bedeutung von Domains zugewandt.

Dr. Web: Wie kommt man dazu, sich mit rechtlichen Fragen der Domain-Namen zu beschäftigen?

„Mein Schlüsselerlebnis hatte ich im Sommer 1998, als ich mir die, zu diesem Zeitpunkt immer noch freie, Domain liberal.de registrieren ließ. Kurze Zeit später meldete sich ein Anwalt der F.D.P., der von mir die sofortige Freigabe der Domain verlangte. Es ist Herbst 1999 und ich bin immer noch Inhaber von liberal.de.“.

Dr. Web: Der Run auf Homepages ist unverkennbar. Jeder will im Netz präsent sein und das mit einem möglichst „einmaligen“ Domain-Namen. Sie aber warnen vor einem juristischen Schlachtfeld im Web. Warum?

„Das Internet entwickelt sich in Deutschland immer mehr zu einer ABM für (unterbeschäftigte) Anwälte. So haben mittlerweile Anwälte das Internet als neue Einnahmequelle entdeckt. Durch sogenannte wettbewerbsrechtliche Abmahnungen werden Inhaber von Domain-Namen und Websites auf tatsächliche oder vermeintliche Rechtsverstöße aufmerksam gemacht. Das Ganze ist natürlich immer mit einer saftigen Gebühren-Rechnung verbunden.

Gerade durch die Registrierung eines Domain-Namens kann es leicht passieren, dass man gegen Kennzeichnungsrechte Dritter (also z.B. Marken, Unternehmensnamen, Buch- und Softwaretitel) verstößt. Die Inhaber des „besseren Rechts“ an der Domain beauftragt dann meist einen Anwalt, der den bisheriger Domain-Inhaber mit einer Abmahnung auf den Rechtsverstoß aufmerksam macht und die Freigabe der Domain fordert. So eine Abmahnung schlägt im Regelfall mit mindestens 1000,- DM Anwaltsgebühren zu Buche.

Gerade bei Phantasienamen (z.B. optix.de oder xelotop.de) wird oft übersehen, dass die vermeintlich originelle Wortschöpfung schon längst als Marke registriert worden ist.“

Dr. Web: Soll also heißen: Originell ist nicht immer einmalig – oder umgekehrt?

„Wenn Sie sich einen originellen Namen als Domain registrieren lassen, so gibt es diese Domain damit zwar nur einmal, sie ist also insofern einmalig. Wenn aber dann die erste gebührenpflichtige Abmahnung ins Haus flattert, weil der vermeintlich originelle Name schon als Marke geschützt worden ist, dann war das ganze bestimmte keine „einmalig gute“ Idee.

Im Ernst: Bei Phantasienamen empfehle ich immer zu einer sogenannten kennzeichnungsrechtlichen Recherche. Dabei wird u.a. überprüft, ob der Domain-Name schon als Marke eingetragen worden ist oder als Unternehmensname existiert. Erste Informationen hierzu kann man auf der Website des Patent- und Markenamtes finden.“

Dr. Web: Gesetzt den Fall, der „Wunsch-Domain-Name“ ist frei: Was sollte man dennoch beachten?

„Ungefährlich sind im Regelfall der eigene Vor- und Nachname, der Name des eigenen Unternehmens und allgemein beschreibende Begriffe, wie segeln-online.com, computer.de oder alles-gute.net. Bei kommerziellen Projekten ist auf jeden Fall zu einer professionelle Recherche anzuraten, ob durch den (geplanten) Domain-Namen nicht doch Kennzeichnungsrechte Dritter verletzt werden. Solche Recherche-Dienstleistungen bieten z.B. auf Marken- und Wettbewerbsrecht spezialisierte Anwaltskanzleien an.“

Dr. Web: Sind die Regeln nur der Wunsch eines „einzelnen Wirtschaftsjuristen“, oder basieren diese vor allem auf den Erfahrungen, die Sie in Ihrer juristischen Arbeit gemacht haben?

„Die 7 Goldenen Domain-Regeln sind weder Wunschtraum eines Einzelnen noch moralische Handlungsempfehlungen, sondern handfeste juristische Realität. Die Regeln bilden praktisch die Quintessenz aus der mittlerweile sehr umfangreichen Rechtsprechung zu Domain-Namen. Nur wer jede einzelne der Regeln beachtet, kann eine juristische Bauchlandung verhindern.“

Dr. Web: Was kann denn nun eigentlich passieren, wenn man mehr oder weniger prominente Namen „umstrickt“ und sich damit die Web-Präsenz „versüßen“ will?

„Damit sind wir bei den sogenannten Tippfehler-Domains angelangt. Man macht man sich dabei die Tatsache zu Nutze, dass beim raschen Eintippen der URL in die Adresszeile des Browser häufig Fehler passieren, z.B. mricrosoft.com statt microsoft.com. Oder man baut auf die mangelnden Sprachkenntnisse der Websurfer und stellt seine Site unter jahoo.com (yahoo.com) oder spigel.de (spiegel.de) ins Netz. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man mit solchen Spielchen rasch die Besucherzahlen auf seiner Site um zig Tausende pro Monat erhöhen kann. Doch die Rechtsprechung greift auch hier mittlerweile hart durch.
Also, Finger weg von microsaft.com !“

Dr. Web: An wem liegt aus Ihrer Sicht die oft missbräuchliche Verwendung von Domain-Namen mehr: Am Nutzer oder am Anbieter, wenn man davon ausgehen kann, dass besonders letztere ihre (schnelle) Mark machen wollen?

„Meiner Erfahrung nach beruht das Registrieren von „bedenklichen“ Domains meist auf Unwissenheit. In Hochglanzprospekten von Discount-Providern finden sich Sätze wie „Sichern Sie sich schon jetzt möglichst viele Domains – für nur 49 Pfennig pro Monat“ – ohne dass auch nur mit einem einzigen Satz auf mögliche rechtliche Risiken hingewiesen wird. Bei solchen Werbeaussagen frohlockt natürlich der Geldbeutel der Anwaltszunft – da juristische Auseinandersetzungen vorprogrammiert sind.

Das vorsätzliche Registrieren von Domain-Namen, an denen ganz offensichtlich Kennzeichnungsrechte Dritter bestehen (also z.B. nivea-online.de oder bigmac.com), ist heute eher selten anzutreffen.

In den Anfangszeiten des WWW zu Beginn der 90er Jahre versuchten zahlreiche „Cybersqatter“ mit dieser Masche die schnelle Mark zu machen: es wurden massenweise bekannte Marken- und Unternehmensnamen registriert, um sie anschließend für zig Tausende Mark an die gelinkten Unternehmen zu verkaufen. Doch die Zeiten des Internet-Goldrausches sind längst vorbei. Mittlerweile hat sich herumgesprochen, dass die Rechtsprechung bei solchen Praktiken kein Pardon mehr kennt.“

Dr. Web: …das reflektiert auf eine gewisse Wechselwirkung zwischen Domains und Domain-Handel. Wie sehen Sie das?

„Der Domain-Handel konzentriert sich heute fast ausschließlich auf solche Domain-Namen, die kennzeichnungsrechtlich nicht geschützt werden können, also etwa auto.de, fechten.com oder super.net.

Jedoch steckt das Domain-Brokerage selbst in den USA noch in den Kinderschuhen. Ein riesiges Angebot stößt auf eine (noch) geringe Nachfrage. Mit der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung von Domain-Namen wird sich dieses Verhältnis umkehren. Die Preise für (gute) Domain-Namen werden sich innerhalb weniger Jahre vervielfachen. Diese Entwicklung kann man schon heute im Bereich der absoluten Top-Domain-Namen beobachten. So wurde etwa die Domain bingo.com vor wenigen Monaten für 3,3 Millionen US$ verkauft.“

Dr. Web: Konkret: Was zeichnet eine „gute“ Domain aus?

„Was zeichnet eine gute Immobilie aus? Die drei „L“, also Lage, Lage, Lage. Bei Domains könnte man vielleicht die drei „K“ daraus machen, also Kürze, Kürze, Kürze. Ein gute Domain ist kurz, prägnant und leicht merkbar. Beispiele sind etwa buch.de, software.de, reise.de, usw. Aber natürlich auch bekannte „Internet-Marken“ wie bol.de, amazon.com oder yahoo.com. Außerdem empfehle ich immer den Anrufbeantworter-Test. Sprechen Sie Ihren Wunschnamen auf den Anrufbeantworter Ihrer Bekannten. Sagen Sie den Domain-Namen nur einmal, ohne Wiederholungen und ohne ihn zu buchstabieren. Wenn Ihre Bekannten Ihre Website damit im ersten Anlauf finden, dann haben Sie eine „gute“ Domain. Ein abschreckendes Beispiel in diesem Zusammenhang ist die Domain http://www.tie2buy.com. Dahinter verbirgt sich ein deutschsprachiger(!) Online-Shop für Krawatten. Marketing-technisch eine Katastrophe! Eine Name wie etwa krawattenland.de oder krawattenclick.de (beide noch unregistriert) wäre um einiges besser!“

Dr. Web: …und wie viel ist eine Domain wert – für den Nutzer und den Anbieter?

„Hier muss man zwischen Domain-Namen unterscheiden, hinter denen sich ein voll entwickelte Web-Site befindet und bloßen Domain-Namen als solche, welche noch nicht für ein konkrete Web-Site stehen. Nehmen Sie etwa die Domain amazon.com, die weltweit zum Synonym für erfolgreichen eCommerce geworden ist. Schon allein der Name amazon.com dürfte mittlerweile mehrere Milliarden Dollar wert sein. Die Frage noch dem Wert einer Domain stellt sich aber vor allem im Rahmen des Domain-Brokerage, wenn es darum geht, den „fairen“ Preis für einen Domain-Namen zu bestimmen. Hierbei spielen immer mehrere Kriterien eine Rolle, wie Kürze, Prägnanz und kommerzielle Nutzbarkeit.

Im Rahmen eines Artikels habe ich die sogenannte RICK-Formel zur Domain-Wertbestimmung entwickelt. Bei all der Theorie ist natürlich eine Domain immer das Wert, was eine anderer bereit ist, dafür zu bezahlen. Und hier gehen Insider davon aus, dass sich die meisten Domain-Transaktion im Bereich zwischen DM 1.000,– und DM 10.000,– abspielen. Schon in wenigen Jahren dürfte sich diese Preisspanne aber erheblich noch oben verschieben.

Für „gute“ Domain-Namen dürfte man dann in etwa das bezahlen, was man heute für Grundstücke am Starnberger See oder einer Top-City-Lage auf den Tisch legen muss. Nicht umsonst werden Domain-Namen häufig als die Immobilien der Cyberwelt bezeichnet.“

Das Interview führte Michael H. Ragwitz am 10. Nov. 99 per eMail.

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