Domain-Recht

»first come, first served« – oder? (Teil 2)

Teil 2: Namensrecht von Städten und Gemeinden

Damals, in den frühen Tagen des Internet, kurz vor dem Boom mitte der 90er des vergangenen Jahrhunderts, da gab es eine unumstößliche Regel für die Rechte an einer Domain: first come, first served! Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Schaut man sich aber um, kommen einem massive Zweifel, ob diese Regel heute noch gilt.

Nachdem in Teil 1 deutlich wurde, dass Unternehmen mit überragender Bekanntheit das Prinzip „first come, first served!“ aushebeln, blicken wir diesmal auf Städte-Domains. Wie sieht es mit „klassischen“ Entscheidungen zu Städtenamen aus? Kommt es dabei überhaupt auf das Prinzip „first come, first served!“ an?

Die Städtenamen-Entscheidung schlechthin ist heidelberg.de (LG Mannheim, Urteil vom 8. März 1996, Az.: 7 O 60/96). In diesem Fall hatte jemand die Domain früher registriert als der „Namensträger“, die Stadt Heidelberg, und er wollte ein Informationsportal für die Region um Heidelberg unter der Domain platzieren. Aber er mußte die Domain nach Ansicht des Gerichts abgeben. Die Chancen standen für die Domain-Inhaber auch denkbar schlecht, denn die Stadt Heidelberg konnte auf ihr Namensrecht zurückgreifen. Der ursprüngliche Inhaber der Domain hieß jedoch nicht Dr. Heidelberg geschweige denn war er Geschäftsführer einer Heidelberg GMBH. Dieser Fall gestaltet sich also anders als die, die wir zuvor (Teil 1) behandelt haben.

Bedeutet die Entscheidung heidelberg.de nun einen Bruch des Prinzips „first come, first served!“? Wenn man seinen Blick auf Domains einschränkt, ja: der, der die Domain zuerst registriert hatte, mußte sie wieder abmelden. Blickt man aber über den Kabelrand des Internet hinaus, sieht die Sache anders aus. Denn die Stadt Heidelberg kann Jahrhunderte auf ihren Namen zurückblicken und das in Deutschland geltende Bürgerliche Gesetzbuch gibt dem Namensinhaber in § 12 BGB seit 1900 Rechte an die Hand, die die Stadt Heidelberg hier erfolgreich geltend machte.

Übrigens ist die Domain heidelberg.com im Besitz des Druckmaschinenherstellers Heidelberg – unangefochten. Das Unternehmen blickt auf eine 150 jährige Firmengeschichte zurück. Seit 1905 trägt sie den Namen Heidelberg in der Firmenbezeichnung.

Um das Prinzip first comes, first served! zu überblicken, muss man also ein paar Schritte zurücktreten und sich die Sache von außen betrachten. Dann wird deutlich, dass es durchaus weiter Geltung besitzt, mit extremen Ausnahmen wie die Entscheidungen shell.de und krupp.de zeigen.

Aber nun fangen die Schwierigkeiten erst richtig an. Denn es gibt Rechte an Namen oder Begriffen, die unterschiedlich gewichtet werden, wobei das Abwägen unterschiedlich ausfällt. Und es gibt unterschiedliche Rechtsansprüche, die geltend gemacht werden und zu scheinbar divergierenden Ergebnissen führen, vergleicht man sie mit ähnlichen Entscheidungen. Hier sich Klarheit zu verschaffen ist kaum möglich, insbesondere auch deswegen nicht, weil Gerichte unterschiedlich entscheiden. Denn es entscheiden Menschen, die unterschiedliche Ansichten haben, aufgrund von Gesetzen, die keine Einzelfälle regeln, sondern nur allgemeine Sachverhalte. Jeder Domain-Recht-Entscheidung ist aber ein Einzelfall, da die Umstände von Fall zu Fall abweichen.

Nehmen wir nocheinmal die bereits genannten Fälle. Die Stadt Heidelberg bekam aufgrund ihres Namens gegenüber dem Domain-Inhaber, der nicht Heidelberg hieß, Recht. Herr Dr. Shell bekam aber kein Recht gegenüber dem Unternehmen Shell. In beiden Fällen verlor der einfache Bürger den Rechtsstreit, einmal gerade weil er keine Rechte an dem als Domain-Namen genutzten Begriff hatte (heidelberg.de), und einmal, trotz seines Rechtes an dem Begriff (shell.de).

Die Abhängigkeit des Ausgangs von solchen Rechtsstreiten von der rechtlichen Bewertung wird an folgenden Entscheidungen deutlich. In der Anfangsphase der Domain-Rechtsprechung wurden die Dinge teilweise anders gesehen. So hatte das LG Köln in einer Entscheidung (Az. 3 O 507/96) vom 17.12.1996 den Anspruch der Stadt Puhlheim auf die Domain puhlheim.de verneint, weil das Gericht davon ausging, Domains haben keine namensrechtliche Kennzeichnungskraft. Damit stellte die Nutzung der Domain keine Namensrechtsverletzung dar, mithin kam das Prinzip „first comes, first served!“ bezogen auf den Zeitpunkt der Registrierung zum Zuge. Am gleichen Tage entschied das LG Köln auch über die Domains huerth.de (3 O 478/96) und kerpen.de (3 O 477/96) unter Heranziehung der identischen Gründe.

Bereits einen Monat später entschied das LG Lüneburg (Urteil vom 29.1.1997, Az.: 3 O 336/96) jedoch anders. Es bestätigte einen Anspruch der Stadt Celle gegen den Inhaber der Domain celle.de, weil der Domain Namensfunktion im Sinne von § 12 BGB zukomme. Ganz nebenbei bestätigte das Gericht, dass der Namensträger auch dann einen Unterlassungsanspruch aus §§ 12 S. 2, 1004 BGB besitzt, wenn der Inhaber die Domain lediglich reserviert hat, aber nicht benutzt. In diesem Fall kann er gemäß § 249 S. 2 BGB vom Inhaber der Domain eine Freigabeerklärung gegenüber der DENIC verlangen.

Eine Tag vorher, am 28.1.1997 hatte das LG Braunschweig sinngemäß das gleiche entschieden im Blick auf die Domain braunschweig.de (Az.: 9 O 450/96). Ein Jahr später, am 18.1.1998, zeigte sich beim Streit um die Domain alsdorf.de (OLG Köln, Urteil vom 18.1.1998, Az.: 13 W 1/99), dass auch in Köln nun die Rechtslage anders gesehen wurde und dem Domain-Namen Namensfunktion zugesprochen wurde. In diesem Verfahren hatte in der Vorinstanz auch das LG Köln sich auf diesen Standpunkt gestellt.

Dass es aber auch anders gehen kann, zeigt der Fall der Gemeinde Boos, die die Domain boos.de wollte. Inhaber der Domain war (und ist!) Herr Boos. Sowohl die erste Instanz (LG Augsburg, Urteil vom 15.11.2000, Az.: 6 O 3536/00) als auch die zweite (OLG München, Urteil vom 16.05.2001, Az.: 16 U 922/01) waren der Ansicht, dass die Gemeinde keinen Prioritätsanspruch gegenüber Herrn Boos habe. Die Gemeinde verlor den Rechtsstreit und Herr Boos nutzt für sein Unternehmen (also geschäftlich) seine Domain weiter.

Das Prinzip, was dahinter steht, ist das des „first come, first served!“ (Herr Boos war eben schneller als die Gemeinde Boos im Unterallgäu) verknüpft mit dem Blick auf das Recht, den Begriff Boos nutzen zu dürfen. Wobei die Gerichte nicht bis ins letzte in die Geschichte zurückgehen und prüfen, wer denn zuerst mit dem Namen Boos in die Welt trat. Die Prüfung wird gewissermaßen abgebrochen bei Beantwortung der Frage, in welchem Gewicht zueinander die jeweiligen Rechte an der Nutzung des Begriffs stehen. Und bei Namensträgern, die beide nicht überragend bekannt sind, hat keiner ein besseres Recht, sondern beide sind gleichermaßen berechtigt. Der zu spät kommt hat dann keinen Unterlassungsanspruch gegen den Domain-Inhaber.

In einer ähnlichen Entscheidung – über die Domain tschirn.de – bringt das LG Coburg (Urteil vom 13.06.2001, 12 O 284/01) dieses Prinzip mit folgenden Worten auf den Punkt:

„Die redliche Verwendung des eigenen Namens als Domain-Name im geschäftlichen Verkehr ist auf Seiten gleichnamiger Namenskonkurrenten grundsätzlich hinzunehmen; dies gilt auch im Verhältnis zwischen einer Gemeinde und einer Privatperson. Es verbleibt insoweit beim Grundsatz der Priorität der Registrierung. Anders kann dies nur bei überragender Verkehrsgeltung der Bezeichnung der Gemeinde sein, die aber bei einer nur regionalen Bedeutung des Namens der Kommune nicht anzunehmen ist.“

Dies gilt zunächst einmal für die Rechtsprechung wo Nachnamen mit dem Namen einer Gemeinde kollidieren.

Ein Recht an dem als Domain-Namen genutzen Begriff muss der Inhaber der Domain schon mitbringen, andernfalls obsiegt die Gemeinde, auch wenn der Domain-Name lediglich einen Stadtteil betrifft, wie bei muenchingen.de (AG Ludwigsburg, Urteil vom 24.05.2000, Az.: 9 C 612/00):

„Auch wenn es sich bei Münchingen lediglich um einen Ortsteil der Stadt Korntal-Münchingen handelt, unterfällt diese Bezeichnung gleichwohl dem Namensschutz nach § 12 BGB, da es sich insoweit um eine gebräuchliche, schlagwortartige Abkürzung im Hinblick auf den Ortsteil Münchingen in Abgrenzung zum Ortsteil Korntal handelt, sodass auch dem Namensteil eine individualisierende Eigenart zukommt und damit namensmäßige Unterscheidungskraft besitzt.“

Bei anderen Städte- oder Gemeindennamen wird das nicht anders gehandhabt, etwa bei badwildbad.com (OLG Karlsruhe, Urteil vom 9.6.1999 Az.: 6 U 62/99). In diesem Fall hat das OLG Karlsruhe zwei entscheidende Dinge formuliert: Erstens, der Schutz gegen Namensverletzungen richtet sich nach dem Recht des Tatorts. Daher unterfällt auch eine „com“-Domain dem deutschen Recht. Und zweitens, eine Identitäts- oder Zuordnungsverwirrung im Sinne des § 12 BGB besteht bei der unberechtigten Verwendung von Städtenamen auch bei der Top-Level-Domain „com“.

Aber das ist noch nicht alles, was es über das Prinzip „first come, first served!“ und zu Städtenamen-Domains zu sagen gibt.

Den 3. Teil finden Sie hier.

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