spamhaus.org

ICANN in der Zwickmühle

Ein Gericht im US-Bundesstaat Illinois hat die Internet-Regierung ICANN in eine missliche Lage gebracht: im Streit um die Domain spamhaus.org hat das Gericht angekündigt, die vorläufige Suspendierung der Domain durch ICANN anzuordnen. Doch hierzu ist ICANN weder ermächtigt noch in der Lage.

Wie derzeit bekannt ist, begehrt das US-Marketingunternehmen e360Insight LLC sowie dessen Inhaber David Linhardt mit Antrag vom 21. Juni 2006 im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Unterlassung sowie Schadensersatz vom „Spamhaus Project“. Zur Begründung verweisen die Antragsteller darauf, dass man von Spamhaus, einer britischen non-profit Organisation, die sich dem Kampf gegen Spam verschrieben hat, auf die so genannte ROSKO-Liste (Register of Known Spam Operations) gesetzt wurde und so keine Geschäfte machen konnte. Diese Blacklists schützen nach Angaben von Spamhaus ca. 650 Millionen eMail-Konten vor notorischen Spamversendern. Obwohl Spamhaus zunächst seine Verteidigung anzeigte, zog man dann seine Verteidigung wieder zurück und berief sich darauf, mangels eigener Geschäftstätigkeit in Illinois nicht der Rechtsprechung eines US-Gerichts zu unterliegen. Das Gericht erliess in der Folge ein Versäumnisurteil, mit welchem es den Anträgen teilweise stattgab. Danach wird Spamhaus zur Zahlung von US$ 11,7 Mio. an Schadensersatz und weiteren US$ 1.971,05 an Verfahrenskosten verurteilt; weitergehende Zahlungsansprüche wies das Gericht ab. Darüber hinaus wird Spamhaus unter anderem dazu verpflichtet, e360 von der ROSKO-Liste zu nehmen, obwohl Spamhaus bestreitet, die Kläger jemals auf dieser Liste geführt zu haben.

In einer weiteren Entscheidung kündigte das Gericht an, sowohl den Registrar Tucows als auch ICANN anzuweisen, die Löschung oder die vorläufige Suspendierung der Domain spamhaus.org zu veranlassen, bis das Gericht weitere Anweisungen erteilt. Da Tucows allerdings seinen Sitz in Kanada hat, muss es der Entscheidung eines US-Gerichts grundsätzlich nicht folgen. Anders sieht es bei ICANN mit Sitz in Marina del Rey (Kalifornien) aus. Jedoch ist ICANN weder Beteiligte des Verfahrens, noch unterhält ICANN Rechtsbeziehungen zu den Parteien. Solche bestehen allenfalls zwischen dem Registrar und – in bestimmter Hinsicht – der Registry, hier also der .org-Verwaltung PIR. Nur sie wären rechtlich und tatsächlich in der Lage, die Gerichtsentscheidung umzusetzen.

Die Entscheidung ist in mehrfacher Hinsicht problematisch. Würde sie umgesetzt, ist nicht nur mit einem sprunghaften Anstieg von Spammails zu rechnen. Es würde auch ein Präzedenzfall geschaffen, der weitreichende Auswirkungen befürchten lässt bis hin zur Fortsetzung der Diskussion, ob die US-Kontrolle über das Internet noch zu vertreten ist. Ob das Gericht tatsächlich seine Ankündigung wahr macht und die Domain suspendiert, ist derzeit offen; ein Entscheidungsdatum ist nicht bekannt.

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