ICANN

Zum Rücktritt von Kurt Pritz

Kurt Pritz, das öffentliche Gesicht des nTLD-Programms der Internet-Verwaltung ICANN, hat völlig überraschend seinen Rücktritt erklärt. Bis zur Delegierung der ersten neuen Domain-Endung will sich der neue ICANN-CEO Fadi Chehadé persönlich um das nTLD-Programm kümmern.

Die Meldung schlug ein wie ein Blitz aus heiterem Himmel: wie Chehadé am 15. November 2012 in dürren Worten bekanntgab, habe er mit Bedauern das Rücktrittsgesuch von Pritz angenommen. Zur Begründung habe Pritz, der bei ICANN seit Dezember 2006 die Position des Senior Vice President innehatte und zuletzt zum Chief Strategy Officer ernannt worden war, auf einen Interessenkonflikt verwiesen, der ihm kürzlich bewusst geworden sei; daraufhin habe er ICANN unverzüglich informiert. Nachdem man dies dort analysiert habe, sei man übereingekommen, dass ein Wechsel in der Rolle Pritz‘ innerhalb von ICANN angezeigt sei. Pritz habe daraufhin jedoch entschieden, sich ganz zurückzuziehen. Er bleibt ICANN zwar verbunden, wird mit dem komplexen Programm zur Einführung neuer generischer Top Level Domains aber nichts mehr zu tun haben; sein Eintrag in der ICANN-Website ist bereits gelöscht (im ICANN-Wiki findet man noch Informationen). Über die Hintergründe seines Interessenkonflikts kann derzeit nur spekuliert werden; weder ICANN noch Pritz gingen bisher auf die Hintergründe ein.

Für ICANN, vor allem aber für die Einführung neuer Top Level Domains bedeutet dieser Rücktritt von Pritz einen Rückschlag, dessen Folgen noch nicht verlässlich abgeschätzt werden können. Egal, ob die Anhörungen vor der US-Regierung in Washington, eines der zahlreichen ICANN-Meetings rund um den Globus oder Konferenzen wie newdomains.org in München – Kurt Pritz stand ebenso freundlich wie kompetent im Rampenlicht, egal wo und egal wann es um die neuen Domain-Endungen ging. Er war damit eine Schlüsselfigur im nTLD-Programm, das ICANN allein US$ 350 Mio. an Teilnahmegebühren in die Kassen gespült hat. Entsprechender Unmut macht sich daher in der Community breit; Ron Jackson von dnjournal.com sprach von Schockwellen, welche die Domain Name Industry erfasst hätten und verlangte mehr Informationen vor allem für jene, die Millionen in neue Domain-Endungen investiert hätte. US-Anwalt und Blogger Michael Berkens sprach von inakzeptablem Verhalten und forderte ICANN auf, den Interessenkonflikt offenzulegen, wenn man es mit der von Chehadé angekündigten Transparenz ernstmeint. Wie Kevin Murphy (domainincite.com) mitteilt, scheint Hintergrund für das Ausscheiden Pritz‘ seine Verbindung zu ARI Registry Services zu sein, wobei Murphy letzten Endes keinen bisher sichtbar gewordenen Konflikt wahrnimmt, denn tatsächlich hat sich Pritz bei Fragen des Trademark Clearinghouse auch gegen die Interessen von ARI gewandt. Prinz‘ Ausscheiden beruht nach Murphys Verständnis letztlich auf unglücklichen Umständen in einer Organisation, die hypersensibilisiert auf mögliche negative Wahrnehmung ihrer Integrität reagiert.

ICANN selbst hat auf den Rücktritt inzwischen reagiert: am 16. November 2012 gab Chehadé in einem Blogeintrag bekannt, dass er gemeinsam mit Akram Atallah, bis zum Amtsantrantritt von Chehadé interimsmäßig CEO von ICANN und nun wieder als Chief Operating Officer tätig, bis zur Delegierung der ersten neuen Top Level Domain die Aufsicht über das gesamte nTLD-Programm übernehmen werde. Ob und wann ein Nachfolger für Pritz gewählt wird, ist derzeit nicht abzusehen.

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