Domainpulse

Pfändung, Haftung, Strafrecht

Für viele war der Höhepunkt des „Domainpulse“ in Berlin das Panel zum aktuellen Stand des Rechts um Domain-Namen. Die Justitiarinnen von Nic.at und SWITCH und der Justitiar von DENIC gaben zu Rechtsproblemen kurze Referate ab und standen danach für Fragen zur Verfügung. Das Bonbon gab es aber hinterher.

Des Problems der Pfändung von Domains nahm sich Stephan Welzel an und legte seinen sehr klaren und nachvollziehbaren Standpunkt dar: Domains sind ein Bündel vertraglicher Ansprüche, das durchaus pfändbar ist. Anders sah es das Landgericht München, das in seinem Beschluss vom 28.06.2000 (Az.: 20 T 2446/00) die Pfändung einer Familiennamensdomain ablehnte. Die Pfändung vollzieht sich über § 857 ZPO in „andere Vermögensrechte“; die Regeln der Vollstreckung in Forderungen gelten entsprechend und damit §§ 828 ff. Zivilprozessordnung (ZPO). Die Frage nach der Drittschuldnerstellung nicht nur der Domain-Verwaltungen, hier der DENIC e.G., wusste er ebenfalls mit kurzen Worten zu beantworten: Die Registrierungsstellen und die darüber wie darunter geordneten Stellen, etwa ICANN, IANA, die Root-Server-Betreiber oder die Registrare, kommen nicht als Drittschuldner in Betracht. Es gibt in diesen Fällen gar keinen Drittschuldner, denn die Leistung, die diese erbringen, kann nicht zugunsten des Gläubigers erbracht werden. Die Konnektierung der Domain ist die Konnektierung der Domain. Der Gläubiger kann allenfalls die Verwertung der Domain betreiben, beispielsweise durch Verkauf der Domain.

Frau Schloßbauer von Nic.at schloss sich mit einem Referat über die Haftung Dritter bei Rechtsverletzungen im Zusammenhang mit Domains an. Dabei ging sie besonders auf das österreichische E-Commerce-Gesetz, das auf einer entsprechenden EU-Richtlinie fusst, ein. Die Richtlinie und das Gesetz richten sich an Access-, Host- und Content-Provider. Diese stehen in der Haftung, soweit sie den Täter bewusst gefördert haben. Sie sind zum Handeln verpflichtet, soweit sie Kenntnis von der Tat erhalten, wobei die Rechtsverletzung für den juristischen Laien ohne weitere Nachforschungen offensichtlich sein muss. Besonderes Augenmerk erhielt die Treuhänderproblematik. An dieser Stelle griff sie auf die bekannten deutschen Entscheidungen selk.de und veltins.com (nicht .de) zurück, denen nach der Treuhänder jedenfalls nicht schlechter als der Treugeber gestellt werden dürfe. Doch auch die umstrittene grundke.de-Entscheidung des OLG Celle erwähnte Frau Schloßbauer und lehnte sie wie erwartet und zu Recht ab. Schließlich fand auch die Haftung des Admin-C seinen Platz, und mit ihm die bekannte Entscheidung des OLG Stuttgart, dernach der Admin-C unmittelbar über die DENIC-Registrierungsrichtlinien haften soll. An dieser Stelle richtete sich das Wort an Stephan Welzel, der für die für das Gericht missverständliche Formulierung in den DENIC-Registrierungsrichtlinien verantwortlich zeichnet. Nicht ohne Ironie wusste der Jurist die Anwesenden auf die Eindeutigkeit und Verständlichkeit der Regel hinzuweisen, „weil ich sie geschrieben habe“. Dieses Argument wird einem Gericht nur schwer zugänglich zu machen sein, doch lässt sich vielleicht für eine verbalakrobatische teleologische Reduktion Herr Welzel als Zeuge oder Sachverständiger in der Beweisaufnahme vor den Richter zitieren. Die Kolleginnen und Kollegen der Anwaltschaft sollten da bitte einmal die Möglichkeiten, die der Zivilprozessordnung zu entnehmen sind, prüfen.

Schließlich gab Frau Beranek-Zanon von der schweizer SWITCH Einblicke in die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Provider in der Schweiz. Eine ausdrückliche Regelung im schweizer Strafgesetzbuch findet sich nicht. Es greift – je nach Delikt – das Medienstrafrecht oder die Haftung aufgrund der Regeln der Gehilfenschaft und Teilnahme. Der schweizer Provider scheint immer Mittäter bei illegalen Inhalten zu sein. Doch die aktuelle Rechtslage wird sich mit einer neuen Regelung, die sich noch im Entwurfstadium befindet, verbessern.

Damit war, nach kurzer Fragerunde, das Panel beendet und die Bühne frei für das letztendlich (von Kennern) sehnlichst erwartete Referat von Prof. Dr. Thomas Hoeren vom ITM der Uni Münster. Hatten zuvor ausnahmslos alle Referate unter den Widrigkeiten von gängigen Powerpointpräsentationszwängen gelitten, so zeigte Herr Hoeren, dass gute, verständliche und unterhaltsame Vortragskunst irgendwelcher Schaubilder nicht bedarf. In sprudelnd schnellen 20 Minuten desillusionierte er die „Hoererschaft“, indem er auf die Reterritorialisierung des Internet verwies, das eben nicht mehr grenzenlos sei, sondern sehr deutlich wieder auf die Gesetzgebung der einzelnen Staaten zugeschnitten werde. Das zeigen Yahoo!, Google und andere, die den Nutzer auf landesspezifische Seiten weiterleiten. Hier sei als herausragendes Beispiel China genannt. Alsdann nahm Herr Hoeren seinem Auditorium die Flausen und fünf Internetmythen:

1. Anonymität gibt es nicht – Selbst in P2P-Netze können mittlerweile IP-Adressen ausgekundschaftet werden.

2. Hoster tragen die volle Verantwortung – nach der Rolex-Entscheidung des BGH müssen Hoster bereits nach Kenntnis eines ersten Falles alles technisch wie menschlich Mögliche aufbieten, vergleichbare rechtswidrige Fälle zu verhindern. Das kann keiner leisten noch auch bezahlen.

3. Beweiswert – Wie neuere Entscheidungen zeigen, haben eMails keinen Beweiswert vor Gericht. Auch online dargestellte AGB haben keinen Beweiswert, da sie jederzeit manipuliert werden können.

4. Domains sind wertlos – Weder lassen sich Domains bilanzieren, noch begründen sie eine Marke, einen Werktitel, einen Namen oder sonst ein Recht. Durch die Suchoptimierung werden Domains sowieso obsolet.

5. Schließlich teilte der versierte Jurist, Richter und Professor mit, müssten laut derzeitiger Gesetzeslage in Deutschland 71 gesonderte Informationen zu einem Online-Angebot online gestellt werden, vom Impressum bis zum Ausschluss des Rücktrittsrechts. Diesen Anforderungen wird keine Internetsite gerecht.

Besser also, man vergisst das Internet ganz schnell wieder.

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