»weideglueck.de« und »literaturen.de« – zwei unrühmliche Entscheidungen

Bei den Ansprüchen aus dem Markenrecht sind die sich aus § 14 (Produktbezeichnungen) und § 15 (Geschäftsbezeichnungen) MarkenG ergebenden Ansprüche zu unterscheiden. Beide setzen die Nutzung der Domain im geschäftlichen Verkehr voraus. Während bei § 15 MarkenG bei Firmennamen auch der Weg über § 12 BGB (Namensrecht) beschritten werden kann, der eben gerade nicht den Gebrauch im geschäftlichen Verkehr voraussetzt, sieht sich der Inhaber einer Marke, die lediglich ein Produkt bezeichnet, sowie bei Werktiteln, die keine Namen sind, in einer Anspruchswüste, soweit die Domain nicht im geschäftlichen Verkehr genutzt wird.

In der Regel gibt eine leere oder rein privat genutzte Domain keine Angriffsfläche für Ansprüche aus § 14 MarkenG. Mit dieser Anspruchsgrundlage werden die in das Markenregister eingetragenen Waren- und Dienstleistungsmarken (sogenannte Eintragungsmarken) geschützt. Ansprüche aus § 14 MarkenG können in den genannten Fällen nicht erfolgreich geltend gemacht werden, da privat genutzte oder leere (die Webseite hat keinen Inhalt) Domains nicht im geschäftlichen Verkehr genutzt werden.

Das gilt auch für Ansprüche aus § 15 MarkenG, der Geschäftsbezeichnungen (§ 5 MarkenG) schützt. Auch hier gilt, eine leere oder privat genutzte Domain wird eben nicht im geschäftlichen Verkehr genutzt, was jedoch Voraussetzung für Ansprüche aus dem Markenrecht ist. Aber der Inhaber eines über § 5 MarkenG geschützten Unternehmensnamen hat die Möglichkeit, Unterlassungsansprüche aus § 12 BGB (Namensrecht) erfolgreich geltend zu machen. Dieser Weg ist dem Markeninhaber verschlossen. Die Eintragungsmarke ist nicht Name. Übrigens ist dieser Weg auch für den Inhaber eines Werktitels, der wie die Geschäftsbezeichnung über § 5 MarkenG geschützt ist, nicht gangbar, es sei denn, der Werktitel entspräche einem Namen.

Welchen Weg kann der Markeninhaber beschreiten? Die Rechtsprechung geht dahin, bei Vorliegen gewisser Indizien, selbst bei einer leeren Domain dem Markeninhaber Recht zu geben. Läßt sich nachweisen, der Inhaber der Domain hat diese mit Grabbingabsicht registriert, wird man vor Gericht erfolgreich sein. Es müssen im Prozeß entsprechende Indizien nachgewiesen werden, wie etwa: der Domain-Inhaber hat zahlreiche „Marken“-Domains registriert und von diesen bereits welche zum Verkauf angeboten. Ähnlich ergeht es Konkurrenten: läßt sich nachweisen, der Domain-Inhaber ist in der gleichen Branche tätig, kann das Gericht geneigt sein, der Klage auf Unterlassung der Nutzung der Domain statt zu geben, da eine geschäftliche Nutzung höchst wahrscheinlich ist.

Wenn aber dieser Indiziennachweis nicht gelingt, greifen die Gerichte gerne auf die Entscheidung „weideglueck.de“ des OLG Frankfurt zurück. Diese Entscheidung entpuppt sich bei näherer Betrachtung allerdings als eine Fehlentscheidung. Der Domain-Inhaber nutzte die Domain nicht im geschäftlichen Verkehr und hatte auch sonst keine rechten Pläne, was er damit machen wollte. Da wich das Gericht kurzerhand auf einen Anspruch wegen sittenwidriger Behinderung nach §§ 826, 226 BGB aus.

Das OLG Frankfurt (Beschluß vom 12.4.2000, Az 6 W 33/00) hat seinerzeit erklärt: „Wer das naheliegende Interesse des Inhabers einer Marke an der Nutzung einer entsprechenden Domain bewusst in Gewinnerzielungsabsicht auszubeuten versucht, verstößt gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden.

Unter Anwendung dieser Grundsätze bejaht der Senat vorliegend eine sittenwidrige Behinderung [aus §§ 826, 226 BGB] der Klägerin durch den Beklagten. Der Senat schließt aus, dass der Beklagte den Domain-Namen „weideglueck.de“ aus lauteren Motiven zu privaten Zwecken für sich reserviert hat. Der Beklagte verfügt bereits über eine private Homepage unter seinem Nachnamen, die umfangreiche private Interna enthält […]. Ein nachvollziehbares, anerkennenswertes Interesse des Beklagten an dem Domain-Namen ist nicht erkennbar. Bei „Weideglueck“ handelt es sich um eine Bezeichnung, die keinerlei Bezug zum Namen oder der Tätigkeit des Beklagten aufweist.“

Der Domain-Inhaber hatte sich das teilweise selbst eingebrockt, da er keine klaren und eindeutigen Angaben zu den Plänen, die er mit der Domain hatte, machte. Vielmehr trug er mehrere sich widersprechende Pläne nacheinander vor, was seine Glaubwürdigkeit und seine rechtmäßigen Absichten in Frage stellte. Das Gericht wußte sich schlichtweg nicht zu helfen, wie es unter diesen Umständen einen Anspruch der Gegenseite hätte abweisen sollen. Die Frage selbst hatte sich allerdings nicht mehr gestellt, da der Domain-Inhaber die Domain bereits freiwillig abgegeben hatte und man zuletzt nur noch um die Kosten stritt.

Tatsächlich ergibt sich aus dem Urteil eine Beweislastumkehr, die nicht rechtskonform ist: Der Anspruchsteller (oder Kläger) muss die sittenwidrige Behinderung des Domain-Inhabers zur Überzeugung des Gerichts nachweisen. Erst wenn hier entsprechend vorgetragen ist, muss der Domain-Inhaber darlegen und beweisen, dass er die Domain aus lauteren Motiven registriert hat. Dass die Antragstellerin den Nachweis für eine sittenwidrige Behinderung erbrachte, ist nicht ersichtlich. Aus den Entscheidungsgründen geht nicht hervor, dass der Domain-Inhaber die Domain an die Antragstellerin verkaufen wollte, geschweige denn die klagende Partei dies behauptet oder entsprechende Anhaltspunkte angeführt hätte, die das wahrscheinlich erscheinen ließen. Da das Gericht keine besseren Informationen hatte, nahm es einfach die verschiedenen, sich widersprechenden Nutzungspläne des Domain-Inhabers und brandmarkte sie als unlautere Motive. Dann faßte es sie unter den selbstaufgestellten Grundsatz, wonach Domain-Handel sittenwidrig ist. Tatsächlich sind der Entscheidung keine wirklichen Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass der Domain-Inhaber die „Marken“-Domain zur bewußten Gewinnerzielung auszubeuten versuchte. Letzteres hätte auf Domain-Grabbing hingedeutet und die Entscheidung gerechtfertigt. Aber wie gesagt, Anhaltspunkte dafür sind nicht ersichtlich:

Das Gericht erkannte lediglich kein „nachvollziehbares, anerkennenswertes Interesse des Beklagten an dem Domain-Namen“, da es sich bei Weideglueck „um eine Bezeichnung, die keinerlei Bezug zum Namen oder der Tätigkeit des Beklagten aufweist“ handelt und „die – wechselnden – Erklärungsversuche des Beklagten […] in sich widersprüchlich (§ 138 ZPO) und darüber hinaus nach der Lebenserfahrung abwegig“ sind.

Daraus folgt, wer klare Vorstellung hinsichtlich der privaten Nutzung einer Domain hat, die einer Produktbezeichnung gleicht, sollte eigentlich keine Probleme (vor Gericht) mit ihr bekommen! Der Tatbestand einer sittenwidrigen Behinderung ist nicht so leicht zu erfüllen. Aber die Entscheidung des OLG Frankfurt liegt nun einmal vor und gegen sie wird man nur schwer angehen können. Wie der Inhaber der Domain „literaturen.de“ schmerzlich erfahren mußte.

Das LG Düsseldorf (Urteil vom 06.07.2001, Az.: 38 0 18/01) hatte entschieden, dass wer eine Vielzahl von Namen, die im wesentlichen beschreibende Begriffe beinhalten, für sich in der spekulativen Absicht registrieren lässt, um sie später als Handelsware gegenüber einem derzeit noch nicht bekannten Interessenten zu verwerten, wettbewerbsmäßig und im Sinne von § 826 BGB sittenwidrig handelt, und zur Freigabe verpflichtet ist.

Dabei hat es nicht zwischen Domain-Grabbing und Domain-Handel unterschieden, sondern aus den Ausführungen des Gerichts („um sie später als Handelsware gegenüber einem derzeit noch nicht bekannten Interessenten zu verwerten“) wird deutlich, dass es den Handel mit Domains im Grunde für sittenwidrig hält.

Zum Sachverhalt. Der Domain-Inhaber, ein Webdesigner, hat zahlreiche Domain-Namen registriert, um sie seinen Kunden anbieten zu können. Dabei handelt es sich um keine Kennzeichenrechte Dritter verletzende Domains. Zur im Streit stehenden Domain hatte der Inhaber erklärt, er erwäge auch, sie privat zu nutzen. Der Domain-Inhaber hatte die Domain „literaturen.de“ bereits im Mai 1999 registriert, mehr als sechs Monate bevor Titelschutz für die gleichnamige Literaturzeitschrift erklärt wurde (Januar 2000). Die Inhaber der Zeitschriften klagten nun – leider erfolgreich – auf Unterlassung der Nutzung der Domain durch den Domain-Inhaber. Wie weiter oben bereits dargelegt, ergibt sich für Werktitel kein durchsetzbarer markenrechtlicher Anspruch, wenn die Domain nicht im geschäftlichen Verkehr genutzt wird. Auch hier wich das Gericht also auf § 826 BGB als Anspruchsgrundlage aus. Dazu machte es in seiner Entscheidung deutlich, dass Domain-Handel sittenwidrig ist!

„Eine solche Art der Reservierung dürfte jedenfalls dann wettbewerbsrechtlich und auch im Sinne von § 826 BGB sittenwidrig sein, wenn allein die formalrechtliche Stellung dazu benutzt werden soll, Gewinne zu erzielen, deren Höhe nicht mit irgendeiner Leistung des Rechtsinhabers in Zusammenhang steht, sondern allein von der Bedeutung abhängt, die der „Vertragspartner“ der Sache beimißt.“

Diese Ansicht ist nicht akzeptabel. Sie gründet sich zwar nur auf dem Verhältnis der Leistung, die der Domain-Inhaber erbringt, „deren Höhe nicht mit irgendeiner Leistung des Rechtsinhabers in Zusammenhang steht“, aber gibt ein falsches Signal, das für einige Domain-Inhaber fatale Folgen haben kann. Denn das so geäußerte Prinzip ist nicht eingrenzbar: Schon wenn der Domain-Inhaber mehr verlangt, als er selber für die Registrierung der Domain ausgegeben hat, läge sittenwidriges Verhalten vor – vorausgesetzt, der Rechteinhaber misst der Domain keine besondere Bedeutung zu (dann könnte es aber auch für ihn problematisch mit der Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen werden).

Vermutlich war das Gericht ungehalten, da der Domain-Inhaber die Domain gegen Zahlung einer sechsstelligen Summe übertragen wollte. Dass das sittenwidrig sein soll, ist nicht nachvollziehbar. Dem Domain-Inhaber steht das Prinzip „first come, first served“ zur Seite. Mit der Registrierung wollte er auch niemanden behindern: die Domain hatte er ja lange vor Beginn des Werktitelschutzes registriert. Und da er die Seite zu dem Zeitpunkt nicht nutzte, war er im Wege des Markenrechts nicht angreifbar. Es untersteht sich sogar, in die Zukunft zu blicken und eine Prognose zu stellen, die jeder Grundlage entbehrt:

„Es ist auszuschließen, dass außer dem reinen Verkauf der Kennzeichnung in Zukunft eine Nutzung des Beklagten erfolgen wird, die nicht ihrerseits marken- oder wettbewerbsrechtlich unzulässig wäre.“ Auch hier wird nochmals unterstrichen: der Verkauf der Domain wäre rechts- bzw. sittenwidrig und damit der gesamte Handel mit Domain-Namen. Aber das ist durch nichts begründbar, es sei denn in Fällen von Domain-Grabbing.

Greift man zu hoch mit der Frage, ob die Entscheidungen gegen Artikel 12 des Grundgesetzes verstoßen, der zusichert, dass alle Deutschen das Recht haben, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen?

Dass Gerichte mit Domains, die mit Eintragungsmarken identisch sind, umgehen können, zeigt die Entscheidung des LG Essen (Urteil vom 23.05.2002, Az.: 11 O 96/02) zu „castor.de“.

Die Entscheidung zu „weideglueck.de“ finden Sie hier.
Das Urteil zu „literaturen.de“ finden Sie hier und das Urteil zu „castor.de“ hier.

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