OLG Frankfurt a.M.: Bericht über bereits gelöschte Vorstrafen kann zulässig sein

veröffentlicht am 14. Oktober 2011

Rechtsanwalt Dr. Ole DammOLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 07.02.2011, Az. 25 W 41/10
§ 823 Abs. 1 BGB, § 1004 BGB; § 32 ZPO

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein Bericht auf einem Internetportal einer Regionalzeitung, der mehr als 20 Jahre alte und zwischenzeitlich gelöschte Vorstrafen des Antragstellers erwähnt, zulässig sein kann. Zwar gelte grundsätzlich, dass nach Haftentlassung und besonders nach Löschung der Vorstrafen ein vorgehendes Interesse des Täters an Wiedereingliederung vorliege, was einer identifizierenden Berichterstattung entgegenstehe. Gebe es jedoch einen aktuellen Anlass (z.B. neue Straftaten, die im Zusammenhang mit den früher verübten Taten stehen), über die gelöschten Vorstrafen zu berichten, so könne dies – bei notwendiger Abwägung aller Interessen – im Lichte der Pressefreiheit zulässig sein. Letztlich hat das Gericht vorliegend die Entscheidung offen gelassen, da eine Zuständigkeit des Gerichts nicht gegeben war. Bei der gerügten Verletzung in einer regional sehr begrenzt verbreiteten Tageszeitung müsse der Gerichtsort nämlich einen deutlichen Bezug zu der Verletzung haben. Dazu reiche nicht aus, dass Artikel im Internetportal besagter Regionalzeitung theoretisch bundesweit abgerufen werden könnten. Zum Volltext der Entscheidung:


Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Beschluss

Die als sofortige Beschwerde auszulegende Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 26. Mai 2010 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Beschwerdewert wird festgesetzt auf 10.000 €.

Gründe

I.

Der in einer Ortschaft im Landkreis 01 (…) wohnhafte Antragsteller stand im Jahr 198… vor Gericht, weil er im Namen einer „A“ zwei Sprengstoffanschläge mit selbst gebauten Sprengsätzen auf Migranten verübt hatte. Außerdem wurde er im Jahr 198… wegen Hehlerei mit gestohlenen Waffen verurteilt. Die Vorstrafen sind im Bundeszentralregister gelöscht.

Der Antragsteller war auch Inhaber der Marke „X“, unter der in der „rechten Szene“ beliebte Kleidung vertrieben wird. Im Jahr 2000 oder 2001 gab der Antragsteller diese Marke an die Y-GmbH ab, deren Sitz allerdings mit der Wohnanschrift des Antragstellers identisch ist.

Die Antragsgegnerin betreibt das Online-Portal der A. Die A ist eine Tageszeitung mit dezidiert regionalem Profil. Ihr Verbreitungsgebiet beschränkt sich auf den Süden Bundesland 01 und Teile der … Landkreise 02 und 03.

Am … 2008 stellte die Antragsgegnerin in das von ihr betriebene Internetportal unter der Überschrift „Stadt01: …-…“ einen Artikel ein, in dem darüber berichtet wurde, dass drei Männer, die Jacken trugen, die auch in der rechten Szene beliebt sind, in dem linksalternativen Stadtteil B durch einen wütenden Mob als Nazis beschimpft und tätlich angegriffen worden seien. In diesem Zusammenhang informierte die Antragsgegnerin auch über in der rechten Szene beliebte Mode, unter anderem mit folgendem Beitrag:

„Der Inhaber der Marke „X“ ist der Geschäftsmann Z. 198… stand er vor Gericht, weil er im Namen einer „A“ zwei Sprengstoffanschläge mit selbst gebauten Sprengsätzen auf Migranten verübt hatte. Aufgrund von Hehlerei mit gestohlenen Waffen wurde er 198… verurteilt.“

Nach erfolgloser Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung gemäß Anwaltsschreiben vom 9. April 2010 hat der Antragsteller mit beim Landgericht Kassel am 16. April 2010 eingereichtem Schriftsatz vom 15. April 2010 beantragt, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, die vorstehend wiedergegebenen Informationen über ihn zu verbreiten. Dazu hat er eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt, in der unter anderem ausgeführt ist, er habe am 8. April 2010 durch seinen Prozessbevollmächtigten Kenntnis davon erhalten, was auf der Domain ….de über ihn verbreitet werde.

Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, das Landgericht Kassel sei gemäß § 32 ZPO zuständig, weil der beanstandete Artikel im Internet bestimmungsgemäß auch im Landgerichtsbezirk Kassel abrufbar gewesen sei. Die beanstandete Berichterstattung stelle einen unzulässigen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht dar, weil die Straftaten bereits nahezu drei Jahrzehnte zurücklägen und die Vorstrafen längst getilgt seien, weshalb er nach § 51 BZRG als nicht vorbestraft gelte.

Die Antragsgegnerin hat die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Kassel gerügt und die Auffassung vertreten, die betreffende Berichterstattung sei nicht zu beanstanden, weil zwischen der früheren Tat und dem neuerlichen Anlass zur namentlichen Erwähnung des Antragstellers ein einschlägiger Zusammenhang bestehe.

Durch den im Tenor näher bezeichneten Beschluss, worauf wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts Kassel den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt:

Der Antrag sei bereits unzulässig, weil das Landgericht Kassel örtlich nicht zuständig sei. Der Antrag sei aber auch unbegründet, weil es an der insoweit erforderlichen Eilbedürftigkeit deswegen fehle, weil die Antragsgegnerin den fraglichen Eintrag unstreitig nach Zugang der Abmahnung vom 9. April 2010 gelöscht habe.

Gegen diesen Beschluss, der seinem Prozessbevollmächtigten am 28. Mai 2010 zugestellt wurde, richtet sich die am 2. Juni 2010 beim Landgericht eingelegte Beschwerde. Unter anderem unter Hinweis auf eine Entscheidung des Senats vom 26. September 2008 (…) vertritt der Antragsteller weiterhin die Auffassung, das Landgericht Kassel sei gemäß § 32 ZPO zuständig.

Die Antragsgegnerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 23. Juni 2010 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die als zulässiges Rechtsmittel allein in Betracht kommende sofortige Beschwerde ist gemäß § 567 Abs. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere gemäß § 569 ZPO form- und fristgerecht eingelegt worden.

In der Sache hat die sofortige Beschwerde aber keinen Erfolg, denn das Landgericht hat den Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung zu Recht zurückgewiesen.

Dafür muss der Senat – letztlich – nicht entscheiden, ob überhaupt ein Verfügungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004, 862 BGB wegen Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers gegeben ist, was allerdings jedenfalls zweifelhaft ist. Der Antragsteller weist zwar im Ansatz zutreffend darauf hin, dass er infolge der Berichterstattung der Antragsgegnerin aus dem … 2008 über seine lange zurückliegende, … achtziger Jahre abgeurteilte strafrechtliche Vergangenheit nach Verbüßung der Strafe und nach Löschung der Vorstrafen auch im Hinblick auf das Verwertungsverbot des § 51 BZRG in seinem Recht, sich selbst zu gehören und in Ruhe gelassen zu werden, erheblich betroffen wurde. Denn die öffentliche Berichterstattung über eine Straftat unter Namensnennung stellt deswegen regelmäßig eine erhebliche Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Täters dar, weil sein Fehlverhalten öffentlich bekannt gemacht und seine Person in den Augen des durch den Artikel angesprochenen Personenkreises negativ qualifiziert wird (vergleiche BVerfGE 35, 202, 226). Richtig ist auch, dass mit der zeitlichen Distanz zur Straftat und zum Strafverfahren auch bei schweren Straftaten das Recht des Täters, „allein gelassen zu werden“, zunehmende Bedeutung erlangt. Mit der Haftentlassung, jedenfalls aber mit der Tilgung der Vorstrafe im Bundeszentralregister und dem daraus folgenden Verwertungsverbot beginnt regelmäßig das entscheidende Stadium, in dem das Interesse des Täters an seiner Resozialisierung und seiner Wiedereingliederung in die Gesellschaft die Grenze einer zulässigen identifizierenden Berichterstattung markieren (vergleiche BVerfGE 35, 202, 233, 235; BVerfG NJW 1993,14 63,1464 m.w.N.).

Ob ein rechtswidriger Eingriff in das grundgesetzlich nach Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Persönlichkeitsrecht aufgrund der betreffenden Presseberichterstattung vorliegt, oder ob dieser Eingriff unter Berücksichtigung der gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ebenfalls grundgesetzlich geschützten Meinungs- und Berichterstattungsfreiheit von dem Betroffenen hinzunehmen ist, muss aber stets im konkreten Einzelfall entschieden werden. Dabei gibt es keine Regel, dass die Berichterstattung über eine getilgte Vorstrafen und die dem zu Grunde liegende Tat immer rechtswidrig ist, wenn nicht eine Gefährdung anderer Rechtsgüter oder öffentlicher Interessen vorliegt. Zu berücksichtigen ist vielmehr, worauf die Antragsgegnerin zutreffend hinweist, dass auch nach vielen Jahren ein neuer Anlass entstehen kann, gerechtfertigt nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG über die längst gelöschten Vorstrafen zu berichten. Allerdings folgt andererseits allein daraus, dass nach Jahr und Tag ein aktueller Anlass gegeben ist, der einen Bezug zu einer vor vielen Jahren begangenen Straftat aufweist, nicht automatisch, dass dem Grundrecht auf Meinungs- und Berichterstattungsfreiheit auf jeden Fall der Vorzug vor dem Recht des Täters, in Ruhe gelassen zu werden, einzuräumen ist. Vielmehr ist auch in diesen Fällen eine Güter- und Interessenabwägung zwischen der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Berichterstattungsfreiheit der Presse und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vorzunehmen (vergleiche BVerfG NJW 1993,1463,1465).

Im Lichte dieser rechtlichen Vorgaben spricht viel dafür, im Streitfall dem Recht der Antragsgegnerin aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG den Vorzug vor dem Persönlichkeitsrecht des Antragstellers einzuräumen.

Insoweit muss gesehen werden, dass der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht nach Art und Weise der Darstellung der strafrechtlichen Vergangenheit des Antragstellers in dem beanstandeten Artikel nicht besonders intensiv ist. Vielmehr wird mit wenigen Worten sachlich und ohne Bewertung mitgeteilt, was Gegenstand der gegen den Antragsteller geführten Strafverfahren in den Jahren 198… und 198… war. Die Antragsgegnerin weist auch zutreffend darauf hin, dass aufgrund der gewalttätigen Übergriffe in Stadt01 gegen Personen, die in „rechten Kreisen“ beliebte Jacken trugen, konkreter Anlass bestand, über „…Mode“ und die dahinter stehenden Personen zu berichten. Damit bestand ein aktueller Anlass, auch über den Antragsteller als den – vermeintlichen – Inhaber der Marke „X“ im geschehenen Umfang zu informieren. Die Bedeutung der Tatsache, dass die Taten des Antragstellers zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des betreffenden Artikels im … 2008 bereits sehr lange zurücklagen, wird erheblich dadurch relativiert, dass der Antragsteller jedenfalls bis zum Jahr 2000 oder 2001 Inhaber der betreffenden, in der „rechten Szene“ beliebten Marke war und er damit als dieser Szene und damit dem Gedankengut, aus dem heraus offenbar jedenfalls die im Jahr 198… abgeurteilte Tat entsprungen war, weiterhin oder erneut zugehörig angesehen werden durfte. An dieser Beurteilung ändert sich nicht deswegen etwas entscheidend, weil der Antragsteller die Marke im … 2008 bereits seit etwa 7 Jahren auf eine Textilhandels GmbH übertragen hatte; die Antragsgegnerin weist zutreffend darauf hin, dass angesichts der Identität des Firmensitzes mit der Wohnung des Antragstellers schwerlich angenommen werden kann, mit der übertragenen Marke auf die GmbH sei eine Distanzierung zu der „rechten Szene“ verbunden gewesen, auch wenn der Antragsteller nunmehr – jedenfalls formal – lediglich noch als Angestellter der Textilhandels GmbH beschäftigt ist. Zu Gunsten der Freiheit der Berichterstattung kommt auch dem Umstand Bedeutung zu, dass die früheren strafrechtlichen Verurteilungen des Antragstellers ausweislich des von dem Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin bereits mit Schriftsatz vom 10. Mai 2010 substantiiert vorgetragenen Ergebnisses einer Recherche bei der Internetsuchmaschine „….de“ im Medium Internet weit gestreut von zahlreichen Seiten publiziert worden waren, ohne dass der Antragsteller bis dahin dagegen vorgegangen war. Wird aber die strafrechtliche Vergangenheit einer Person ohnehin in zahlreichen im Internet abrufbaren Beiträgen behandelt, kommt einem weiteren, gleich gelagerten Beitrag typischerweise geringere Bedeutung zu, wenn es um die Frage der gerade daraus folgenden – weiteren – Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen geht. Auch ein etwaiges Verschulden der Antragsgegnerin würde unter diesen Umständen erheblich minimiert, zumal ihr weiterer Vortrag, der Antragsteller habe sich bisher (bis zum 10. Mai 2010) gegen diese weiteren Veröffentlichungen nicht zur Wehr gesetzt, ausweislich des Schriftsatzes des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 18. Mai 2010 richtig ist. Nach den Darlegungen im Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 18. Mai 2010 hat dieser erst aufgrund des Vortrags der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 10. Mai 2010 begonnen, die Verantwortlichen für die weiteren Artikel mit Berichten über seine strafrechtliche Vergangenheit auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen.

Wie bereits angesprochen, kann für die hier zu treffende Entscheidung das Ergebnis einer Abwägung der widerstreitenden Interessen und damit die Frage, ob ein widerrechtlicher Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers vorliegt, aber letztlich dahinstehen. Der Senat muss nicht nach Hinweis gem. § 139 ZPO noch Gelegenheit geben, eventuell für die Frage der Abwägung noch möglichen ergänzenden Sachvortrag zu halten; denn die sofortige Beschwerde ist unabhängig vom Vorliegen eines Verfügungsanspruchs und auch unabhängig von der auch im Beschwerdeverfahren problematisierten Frage, ob in Übereinstimmung mit der vom Landgericht in der angefochtenen Entscheidung vertretenen Auffassung ein Verfügungsgrund zu verneinen ist, jedenfalls deswegen unbegründet, weil der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) nicht im Landgerichtsbezirk Kassel eröffnet ist.

In Literatur und Rechtsprechung ist allerdings umstritten, ob bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch in das Internet eingestellte Inhalte der Gerichtsstand des § 32 ZPO an jedem Ort eröffnet ist, an dem der persönlichkeitsrechtsverletzende Beitrag abgerufen werden kann, oder ob dies allein nicht ausreicht, weil ansonsten die Wahl des Gerichtsstandes (§ 35 ZPO) praktisch beliebig möglich und damit nicht nur die Regelung des § 32 ZPO sinnentleert, sondern auch die Gefahr eines Missbrauchs bei der Wahl des Gerichtsstandes eröffnet wäre (vergleiche zum Meinungsstand BGH Urteil vom 2. März 2010, VI ZR 23/09, Rn. 12 – zitiert nach juris).

Der Senat folgt insoweit der im Urteil des 6. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 2. März 2010 für die Frage der internationalen Zuständigkeit vorgenommenen Grenzziehung, die, soweit ersichtlich, auch allgemein auf Zustimmung gestoßen ist (vergleiche Hoffmann, NJW 2010, 2706, 2711). Die in dieser Entscheidung aufgestellten Grundsätze sind ohne weiteres für die Bestimmung des Anwendungsbereich des § 32 ZPO bei mehreren in Deutschland in Betracht kommenden Gerichtsständen heranzuziehen, gelten doch die Bestimmungen über die örtliche Zuständigkeit (§§ 12 ff. ZPO) für die Grenzziehung zwischen der Zuständigkeit deutscher und ausländischer Gerichte lediglich mittelbar (vergleiche BGH aaO Rn. 7).

Nach dieser Entscheidung des BGH ist der Gerichtsstand des § 32 ZPO nicht an jedem Ort eröffnet, an dem die beanstandete Internetveröffentlichung abrufbar ist und deshalb die Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht. Dies allein reicht nach Sinn und Zweck des § 32 ZPO, der einen vom Gerichtsstand des Beklagten abweichenden Wahlgerichtsstand wegen der durch den Handlungsort oder den Erfolgsort begründeten besonderen Beziehung der Streitigkeit gerade zu dem insoweit zuständigen Gericht eröffnet, und damit diese besondere Beziehung voraussetzt (vergleiche BGH aaO Rn. 17 m.w.N.), nicht aus, um an jedem Ort der Abrufbarkeit einen Begehungsort im Sinne des § 32 ZPO bejahen zu können. Hinzukommen zu der Abrufbarkeit muss vielmehr, dass die als rechtsverletzend beanstandete Internetveröffentlichung einen deutlichen Bezug zu dem Ort des angerufenen Gerichts in dem Sinne aufweist, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen – Persönlichkeitsrecht des Betroffenen auf der einen Seite, Recht der Freiheit der Berichterstattung andererseits – nach den Umständen des konkreten Falles tatsächlich bereits eingetreten sein kann oder noch eintreten kann. Dies ist dann anzunehmen, wenn eine Kenntnisnahme von der beanstandeten Veröffentlichung nach den Umständen des konkreten Falles an dem betreffenden Gerichtsort erheblich näher liegt als dies aufgrund der bloßen Abrufbarkeit des Angebots der Fall wäre, und die vom Betroffenen behauptete Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts durch Kenntnisnahme von der Meldung auch an diesen Ort eintreten würde (vergleiche BGH aaO, Rn. 15-20 m.w.N.).

In Anwendung dieser Grundsätze ist für den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eine Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht gegeben, denn die beanstandete Internetveröffentlichung vom … 2008 war nicht zu einer konkreten Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Antragstellers im Bezirk des Landgerichts Kassel geeignet.

Gegen eine entsprechende Eignung spricht bereits, dass es sich um eine Veröffentlichung im Internetportal der A, einer Tageszeitung von lediglich regionaler Bedeutung handelt, deren Verbreitungsgebiet sich auf den Süden von Bundesland 01 und Teile der Kreise 02 und 03 beschränkt. Das Verbreitungsgebiet der A als Druckerzeugnis ist allerdings nicht von vornherein identisch mit dem „Verbreitungsgebiet“ der in ihr Internetportal eingestellten Beiträge. Dies schon deswegen nicht, weil Internetinhalte regelmäßig nicht „verbreitet“, sondern lediglich zum Abruf vorgehalten werden, weshalb sich ein räumlich abgegrenztes Verbreitungsgebiet von Artikeln, die in das Internetportal einer Regionalzeitung eingestellt werden, nicht exakt bestimmen lässt. Dennoch kommt dem Umstand, dass der vom Antragsteller beanstandete Artikel gerade auf dem Internetportal der A eingestellt wurde für die Frage, ob der Inhalt dieses Artikels geeignet war, eine konkrete Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Antragstellers im hiesigen Bezirk herbeizuführen, Bedeutung zu. Zu berücksichtigen ist nämlich die verschwindend geringe Wahrscheinlichkeit, dass Internetnutzer in Nordhessen sich dafür interessieren, was im Internetportal einer Regionalzeitung veröffentlicht wird, deren Verbreitungsgebiet – als Druckerzeugnis – hunderte Kilometer von der eigenen Region entfernt ihr Ende findet. Allein die Möglichkeit, dass ein Internetnutzer im Gerichtsbezirk zufällig auf die betreffende Website stößt und den das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers betreffenden Artikel auffindet, reicht nicht aus, um eine konkrete Eignung zur Persönlichkeitsbeeinträchtigung zu bejahen. Die Richtigkeit dieser Einschätzung wird eindrucksvoll dadurch bestätigt, dass nicht einmal der Antragsteller von sich aus auf die betreffende Veröffentlichung aufmerksam geworden ist, und auch sein Prozessbevollmächtigter ist darauf nicht etwa zeitnah, sondern – aus welchen Gründen und wie auch immer – erst über … Jahre nach Einstellung dieses Artikels in das Internetportal der A aufmerksam geworden.

Soweit der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers in der Beschwerdebegründung darauf hinweist, dass der Senat im Verfahren … die Zuständigkeit des Landgerichts Kassel nach § 32 ZPO für eine Klage wegen eines Internetdelikts gegen einen in Stadt02 wohnhaften Beklagten bejaht habe, ist das richtig. Der Senat weicht mit seiner jetzigen Entscheidung aber nicht einmal von seiner damaligen Rechtsauffassung ab. Seinerzeit hatte der Kläger nämlich unwidersprochen vorgetragen, dass die Veröffentlichungen des Beklagten im Internet sich an ein überregionales Publikum gerichtet hätten und darüber hinaus substantiiert dargelegt, dass insbesondere die den (damaligen) Kläger betreffenden Veröffentlichungen tatsächlich von den Internetnutzern im hiesigen Landgerichtsbezirk aufgerufen und gelesen worden seien. Der vorliegend zu entscheidende Fall lässt sich mit der dem Verfahren … zu Grunde liegenden Ausgangslage deshalb nicht vergleichen.

Nach allem war die sofortige Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Festsetzung des Wertes des Beschwerdegegenstandes beruht auf § 3 ZPO.

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