Neue Domain-Endungen – Was wir als Internet-Community daraus lernen können
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Neue Domain-Endungen – Was wir als Internet-Community daraus lernen können

Im Juni 2011 gab die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (kurz ICANN) den Startschuss für ca. 1.400 neue Top-Level-Domains[1] (kurz TLD), wie beispielsweise .bayern, .club, .gmbh und .shop, um den bestehenden Namensraum größer und vielfältiger zu gestalten.

Nach einer längeren Vorbereitungsphase seitens ICANN, wurden seit Anfang 2014 Schritt für Schritt mehr als 1.200 neue Domain-Endungen eingeführt. Bis voraussichtlich Ende 2018 werden wir noch weitere 100 bis 200 TLDs starten sehen.

Mit mehr als 26 Millionen registrierten Domains[2], über alle neuen Domain-Endungen hinweg, und den Rufen nach einer neuen Runde zur Aufnahme weiterer Top-Level-Domains, lohnt sich der Blick zurück um die Einführungen revuepassieren zu lassen und sich genauer anzusehen, was wir daraus lernen können. 

Zu viel in kurzer Zeit

Vor dem Start der neuen TLDs gab es bereits 200 länderspezifische und 15 generische Domain-Endungen. Durch die Einführungen wuchs der Namensraum binnen zwei Jahren von 215 auf über 1.400 Endungen – wahrlich eine Explosion. Wenngleich man über den Sinn oder Unsinn einer bestimmten neuen Top-Level-Domain streiten mag, ist es eher der kurze Zeitraum von zwei Jahren gewesen, der dazu geführt hat, dass die neuen Domain-Endungen es schwerer haben als viele Branchen-Insider es erwartet oder sich gewünscht hatten. Die Aufmerksamkeit auf die neuen Endungen zu lenken, ohne dabei die eigenen Kunden und die Öffentlichkeit aufgrund der schieren Anzahl neuer Top-Level-Domains zu überfordern, war und ist für viele innerhalb der Domain-Branche ein hartes Stück Arbeit. 

Hohe Komplexität

Zahlreiche neue Vergabestellen mit wenig Erfahrung, neue Geschäftsideen und neue Industrierichtlinien führten in ihrer Kombination dazu, dass es noch schwieriger wurde die Akzeptanz und Verbreitung der neuen Domain-Endungen zu fördern. Mit teilweise sehr restriktiven Vergabebedingungen und einseitigen Verträgen vergaben einige neue Vergabestellen bereits vor dem Start ihrer neuen TLD sehr viel Potenzial.

Wenn wir uns den Start einer Endung genauer ansehen, dann ist von Seiten ICANN eine sogenannte Sunrise-Phase von mindestens 30 Tagen vorgesehen, in der Markeninhaber vorberechtigt Domains, die ihren eingetragenen Marken entsprechen, registrieren können. Hierfür wurde das Trademark Clearinghouse (kurz TMCH) von ICANN ins Leben gerufen. Dieses fügt eine weitere Komplexität hinzu und wurde mittlerweile u.a. durch Wort-/Bildmarken ad absurdum geführt, wenn man bedenkt, dass dort nun auch Marken für Bayern, Pizza, Immobilien, usw. eingetragen sind. Für zukünftige Runden wird sich ICANN dies genauer ansehen müssen, um den eigentlichen Sinn und Zweck des TMCH nicht aus den Augen zu verlieren.

Nach der Sunrise-Phase kam bisher die Landrush-Phase, welche bei früheren Starts von TLDs meist 30 Tage lang war. Jedoch fand diese Phase kaum Anwendung. Viele Vergabestellen nutzten die ihnen gewährten Freiheiten und führten eine neue bevorzugte Registrierung, die Early Access Phase, zu deutlich höheren Konditionen, ein. Diese Phase zog sich, je nach Domain-Endungen, 5 bis 20 Tage hin; dabei fielen die einmaligen Kosten nach dem holländischen Auktionsmodell für die jeweiligen Domains pro Tag, bis die allgemeine Verfügbarkeit startete.

Stärker als bei bisherigen Einführungen wurde mehr auf Premium Domain-Namen gesetzt. Diese wurden, wie bei früheren Einführungen, von den Vergabestellen zu einem Teil direkt in Zusammenarbeit mit einem Auktionsanbieter vertrieben und zum anderen aber auch direkt über Domain-Registrare. Dies führt mitunter zu unterschiedlichen Abwicklungs- und Preismodellen bei den TLDs, welche potentiellen Domain-Käufern erklärt werden mussten. Zudem war eine Kombination von Premium-Domains innerhalb der Sunrise, Landrush und/oder Early Access Phase möglich, wodurch die Komplexität und der Kommunikationsaufwand weiter gesteigert wurden.

Ein mittlerweile bewährter Weg eine TLD an den Start zu bringen ohne dabei potenzielle Domain-Käufer und Domain-Registrare zu überfordern, ist eine 30-tägige Sunrise, eine Early Access Phase von 5 bis 7 Tagen, eine überschaubare Anzahl an Premium Domains, welche in wenigen Preis-Kategorien einsortiert werden und der Verkauf über einen Broker für sehr hochpreisige Premium-Domains.

Technisch betrachtet steht zur Registrierung von Domains das Extensible Provisioning Protocol (kurz EPP) zur Verfügung, welches, wie der Name schon beinhaltet, erweiterbar ist. Durch die unterschiedlichen Herangehensweisen der Vergabestellen, dem fehlenden Best Practice und den mitunter fehlenden klaren und verbindlichen Vorgaben Seitens ICANN, führte dies zu vielfältigen Implementationen, welche die Domain-Registrare umsetzen und dabei im Zusammenspiel mit den teilweise restriktiven Vergabebedingungen auch ihre eigenen Geschäftsprozesse weiter entwickeln mussten. Nach und nach scheint sich eine EPP Erweiterung für Premium Namen[3] als Standard heraus kristallisiert zu haben, wenngleich von dieser noch viele unterschiedliche Versionen eingesetzt werden.

Domain-Vergabestellen verwalten eine oder mehrere Domain-Endungen, entweder selbst oder in Zusammenarbeit mit einem Backend-Provider. Aufgrund vertraglicher Regelungen, fehlendem Vertrauen und wenig Erfahrung mit der Verwaltung, wie auch dem Betrieb, führte dies dazu, dass, trotz gleichem Backend-Provider, pro TLD getrennte Systeme aufgesetzt wurden. Dieser unnötige Mehraufwand, hätte mit ausreichender Planung vermieden werden können.

Die Verwaltung von Premium-Domains und reservierten Namen ist, abhängig von der jeweiligen Vergabestelle, ein kompliziertes Unterfangen. Leider werden teilweise immer noch keine tagesaktuellen Listen für Registrare zur Verfügung gestellt, wodurch es bei Wartungsarbeiten der jeweiligen Endung dazu kommen kann, dass eine Domain als vergeben angezeigt wird, obwohl diese frei wäre, weil der entsprechende Status oder der Preis nicht ermittelt werden konnte.

Fast jede TLD hat, mehr oder weniger oft im Jahr, Wartungsarbeiten, bei der zwar die Nutzung weiterhin möglich ist, aber die Verwaltung eingeschränkt sein kann. Die Zeitfenster in denen solche Arbeiten stattfinden, werden viel zu oft zu kurzfristig kommuniziert, wodurch es zu Überschneidungen mit Marketingaktionen kommen kann. Eine maschinenlesbare Ankündigung der Wartungsarbeiten, die min. 30 Tage im Voraus angekündigt wird, würde das Leben aller Beteiligten deutlich erleichtern. Unabhängig davon wäre es natürlich besser, wenn es gar nicht zu derartigen Wartungsarbeiten kommen würde.

Nachdem der größte Teil der neuen Domain-Endungen gestartet ist, könnte man davon ausgehen, dass die Arbeit getan wäre, aber das Domain-Geschäft ist auch durch stetige Veränderung und Anpassung geprägt. Durch Vertragsänderungen Seitens der Vergabestellen oder den Verkauf einer TLD an einen neuen Betreiber und den damit einhergehenden Umstellungen, ist stets mit neuen Herausforderungen zu rechnen.

Marketing und Awareness

Relativ hohe ICANN- und Beratungskosten für den Erwerb einer TLD, etwaige Rechtstreitigkeiten mit anderen Mitbewerbern um eine Domain-Endung als auch der Druck durch Investoren führten dazu, dass viele Vergabestellen alsbald die Gewinnschwelle erreichen müssen. Das Ergebnis sind zu hohe Domain-Preise und viele Premium-Domains.

Zum Erfolg einer TLD sind jedoch auch die allgemeine Marktakzeptanz, aber auch Marketing und Vertrieb entscheidende Kriterien.

Viele Vergabestellen, insbesondere die jüngeren, verließen sich maßgeblich darauf, dass sich die Domains durch den Hype der neuen Endungen von alleine verkaufen würden. Jedoch war der Hype, wenn man von so einem sprechen möchte, maximal innerhalb der Branche gegeben. Außerhalb war und ist es vielen Menschen gar nicht bewusst, was eine Domain ist, geschweige denn, dass es heute nun über 1.200 Endungen gibt.

Für die Vergabestellen sind Domain-Registrare der einzige wesentliche Vertriebskanal und sie gingen davon aus, dass diese die neuen Endungen ohne Wenn und Aber aufnehmen und dabei auch das Marketing übernehmen würden. Aufgrund der zahlreichen Einführungen von neuen TLDs aber waren Registrare mehr oder minder zum ersten Mal in der Lage zu sagen, dass sie die ein oder andere Domain-Endung nicht aufnehmen werden, da diese entweder nicht relevant oder zu teuer für ihren Markt sei, die Vergaberichtlinien zu streng oder vertragliche Bedingungen zu einseitig sind.

Währenddessen sieht ICANN sich immer wieder mit den Forderungen konfrontiert, dass sie von dem Geld, welches sie durch die Einführung der neuen Domain-Endungen eingenommen haben, Marketing- und Awareness-Kampagnen finanzieren sollten. Dies scheint bei genauer Betrachtung ein schweres und meines Erachtens fast unmögliches Vorhaben. Aufgrund des Gleichheitsgrundsatzes würde ICANN darauf achten müssen, dass sich niemand innerhalb der Community benachteiligt fühlt. Dies würde sehr wahrscheinlich zu langen und zahlreichen Diskussion führen, um später eine faire Verteilung des Geldes zu gewährleisten. Aufgrund der unterschiedlichen Gemengelagen würde sich dies vermutlich mehrere Jahre hinziehen – ohne Aussicht auf Erfolg.

Als wären die Themen Marketing und Vertrieb nicht schon schwierig genug, gab und gibt es leider teilweise heute noch technische Schwierigkeiten mit den ein oder anderen Domain-Endungen, wodurch die Marktakzeptanz ebenfalls leidet.

Die Public Suffix List[4] ist ein Projekt der Mozilla Foundation. Diese dient dazu es Internet-Browser (u.a. Firefox, Google Chrome und Safari) einfacher zu machen, eine TLD sofort zu erkennen, um bei der Eingabe eines Textes in der Adressleiste die Unterscheidung zu treffen, ob es sich um eine Internetadresse oder um ein Suchbegriff handelt. Insbesondere zum Start der neuen Endungen waren diese nicht Teil der Liste oder wurden mit sehr viel Verspätung hinzugefügt. Dadurch wurden neue Domains, wie z.B. nic.bayern oder nic.berlin, nicht sofort erkannt und als Suchbegriff interpretiert, was je nach Browser eine Suche z.B. bei Google, Bing, etc. auslöste, anstatt die korrekte Webseite anzuzeigen. Heute ist der Prozess durch eine engere Zusammenarbeit zwischen ICANN, Vergabestellen und Freiwilligen der Mozilla Foundation besser geworden, weshalb diese Fälle selten bis gar nicht mehr auftreten.

Unter dem Begriff der Universal Acceptance (kurz UA) versteht man ein Konzept zur Gleichbehandlung aller Domains, mit dem Ziel es Internetnutzern zu ermöglichen, das Internet in ihrer eigenen Sprache zu verwenden. Die Verwendung von internationalisierten Domains, wie z.B. müller.de, nic.コム oder новости.рф, stellen vielen Webseiten, Browser und E-Mail-Programme immer noch vor Probleme. Die Annahme, dass Domain-Namen ausschließlich in ASCII Format geschrieben werden, ist schon seit einigen Jahren überholt, aber trotzdem gibt es weiterhin viele Anwendungen, die nicht in der Lage sind, internationalisierte Domains zu akzeptieren, zu validieren, zu verarbeiten, zu speichern oder anzuzeigen. Die Universal Acceptance Steering Group[5] wurde zu dem Zweck gegründet, mehr Bewusstsein zu diesem Thema zu schaffen und die Hürden bei der Verwendung von neuen Domain-Endungen und internationalisierten Domains abzubauen. Jedoch gibt es auch 2 Jahren nach der Gründung dieser Gruppe noch viel Arbeit zu leisten.

Ausblick

Trotz aller Schwierigkeiten rund um den Start der neuen Domain-Endungen, werden diese in den Alltag Einzug halten und sich Schritt für Schritt weiter ausbreiten.

Dennoch sollte man nicht die Augen davor verschließen, dass die Konsolidierung des Marktes weiter anhalten wird und auch TLDs wieder verschwinden können.

Ab 2020 werden aller Voraussicht nach weitere neue Domain-Endungen kommen, wenngleich es diesmal verstärkt Markeninhaber sein werden, die sich um ihre Endung bewerben werden. Bis dahin gilt es weiter am Erfolg der neuen Endungen zu arbeiten, getreu dem Motto „Keep-it-Simple“ sollten alle Beteiligte das große Ganze nicht aus den Augen verlieren.

Twitter: tobiassattler — Facebook: sattler

Quellen:

[1] https://www.icann.org/news/announcement-2011-06-20-en abgerufen am 13.04.2017

[2] https://ntldstats.com abgerufen am 01.08.2017

[3] https://tools.ietf.org/html/draft-ietf-regext-epp-fees-02 abgerufen am 13.04.2017 

[4] https://publicsuffix.org/ abgerufen 13.04.2017

[5] https://uasg.tech/ abgerufen 13.04.2017

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