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Internetverwaltung
USA und China suchen nach ICANN-Alternative

Im kalifornischen Palo Alto diskutierten die Mitglieder der Netmundial-Initiative an der Stanford University über die Zukunft der Internetverwaltung. Denn im September dieses Jahres wollen die USA die Oberhoheit über das Internet abgeben. Bisher herrscht noch völlige Unklarheit darüber, was danach kommt.

Peter Welchering im Gespräch mit Manfred Kloiber | 04.04.2015
    Die Stanford Universität in Kalifornien.
    Das erste Treffen des Netmundial-Forums fand an der Stanford University statt. (picture alliance / dpa / Udo Bernhart)
    Manfred Kloiber: Peter Welchering, hat das erste Netmundial-Forum Licht ins Dunkel gebracht?
    Peter Welchering: Nicht sehr viel. Die 24 offiziell benannten Teilnehmer haben immerhin ein Diskussionsdokument verabschiedet, das von allen Internet-Nutzern noch bis zum 1. Mai kommentiert werden kann. In dem Dokument betonen sie noch einmal, wie wichtig es ist, dass zivilgesellschaftliche Gruppen, Regierungen, Unternehmen, Wissenschaftsvertreter, international Organisationen alle gleichberechtigt die weitere Zukunft des Internets mitbestimmen. Aber konkrete Vorschläge, wie nun ab September die Internet-Verwaltung aussehen sind Stanford natürlich nicht gefallen. Das war nicht zu erwarten.
    Kloiber: Es sind ja in der Vergangenheit im wesentlichen vier Modelle diskutiert worden, wie die Verwaltung des Internets in Zukunft aussehen könnte. Hat Stanford da eine neue Entwicklung gebracht?
    Welchering: Zumindest gab es eine unerwartete Annäherung der amerikanischen und der chinesischen Vertreter. Das ist ziemlich bemerkenswert, weil China sich ja in der Vergangenheit sehr stark gemacht hat für eine stärkere Nationalisierung des Internets. Denn mit nationalen Adressverwaltungssystem kann natürlich sehr viel effizienter die gesamte Netzkommunikation kontrolliert werden. Und da ist China tatsächlich von dieser Nationalisierungsidee abgerückt.
    Kloiber: China war ja die treibende Kraft, das Schlussdokument der Netmundial-Konferenz Ende April vergangenen Jahres in Sao Paulo nicht zu unterschreiben. Der Streit ging hauptsächlich um die Beteiligung der zivilgesellschaftlichen Gruppen an der Netzverwaltung. Lenkt China nun ein?
    Welchering: Ja, zum Teil. Prinzipiell sieht China natürlich die Netzverwaltung als Aufgabe der Regierungen. Aber da die chinesischen Vertreter in der Netmundial-Initiative auch sehr klar die Tendenz gesehen haben, dass die Mehrheit der Regierungen weltweit eine Beteiligung der zivilgesellschaftlichen Gruppen an der Netzverwaltung wünscht, wollen sie darauf eingehen. Und das Kompromissangebot jetzt lautet: Lasst uns die zivilgesellschaftlichen Gruppen an der jetzt anstehenden Diskussion über das weitere Vorgehen beteiligen. Also keine direkte Beteiligung an der Netzverwaltung für die zivilgesellschaftlichen Gruppen, aber jetzt im Vorfeld, wo es um die Diskussion künftiger Modelle geht, da dürfen sie mitreden. Das würden die ZV-Gruppen zwar auch ohne die chinesische Zustimmung machen, aber so hat China seine Kompromissbereitschaft signalisiert.
    Kloiber: Wird es noch weitere Zugeständnisse der chinesischen Regierung geben?
    Welchering: Eine mögliche Kompromisslinie könnte in Richtung eines erweiterten Internet Government Forums laufen, an dem dann die ZV-Gruppen beteiligt werden. Also nicht nur Regierungen entsenden dann Vertreter in das Internet Government Forum, sondern die ZV-Gruppen könnten das auch tun. Vermutlich würde China denen eine Art Sonderstatus einräumen. Das hat zumindest der Minister für Netzverwaltung der Volksrepublik China, Lu Wei, so angedeutet. Und diese Kompromisslinie würde weitere Spielräume bei der Diskussion, wie ganz konkret die Internet-Verwaltung ab September aussehen eröffnen. Denn mit der Vorbereitung für ein erweitertes Internet Government Forum ist der Termindruck nicht mehr so stark. Da böte sich dann die Möglichkeit an, zu sagen, lasst uns im Rahmen eines erneuten Weltinformationsgipfels über den Ausbau des IGF diskutieren. Und bis dahin gibt es in Sachen Internet-Verwaltung erst einmal eine Art Moratorium, einen Aufschub. Die USA würden dann nicht die Oberhoheit über die ICANN abgeben, sondern erst einmal weiterführen, bis der Weltinformationsgipfel stattgefunden hat.
    Kloiber: Die USA haben sich ja bisher klar gegen ein Mandat der UNO für die Internet-Verwaltung ausgesprochen. Werden die nicht solch einem erweiterten Internet Government Forum sofort widersprechen?
    Welchering: Wenn das aus den UNO herausgelöst wird nicht. Zumindest scheinen die USA bereit zu sein, an einem Moratorium mitzuwirken. Dann wäre also mit der Oberaufsicht des amerikanischen Handelsministeriums über die ICANN im September noch nicht Schluss. Dann würde erst einmal die Vorbereitung eines Weltinformationsgipfels anstehen. Auf diese Weise ließe sich für die Diskussion noch einmal bestimmt ein Jahr herausholen, bevor dann konkrete und weltweit zustimmungsfähige Pläne für die Internet-Verwaltung auf dem Tisch liegen müssten.