Berlin

Fliegender Gerichtsstand landet vor BGH

Vor kurzem hatte das Amtsgericht Charlottenburg im Rahmen eines Internetrechtsstreits dem fliegenden Gerichtsstand eine Absage erteilt. Die Sache kam zum Landgericht, welches anderer Ansicht ist, der Klage teilweise stattgab und die Revision wegen des umstrittenen fliegenden Gerichtsstands zuließ (Urteil vom 07.04.2011, Az.: 27 S 20/10).

Kläger ist ein in Nordrhein-Westfalen wohnhafter Künstler, der die Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren begehrt. Beklagte ist die Betreiberin der Domain portal.1und1.de mit Sitz in Montabaur, die darunter über den Kläger berichtet hatte. Der Kläger ließ die Beklagte abmahnen, die eine Unterlassungserklärung unterschrieb, aber die Anwaltsgebühren nicht zahlte. Daraufhin erhob der Kläger Klage in Berlin, weil er meinte, der Bericht ließe sich auch in Berlin aus dem Internet abrufen, und außerdem halte er sich immer wieder auch in Berlin auf. Die Beklagte hielt entgegen, das AG Charlottenburg sei vom Sitz der Parteien die in Deutschland praktisch maximal mögliche Entfernung von 600 km entfernt; dort Klage zu erheben, sei somit bestenfalls missbräuchlich. Das Amtsgericht Charlottenburg wies die Klage als unzulässig ab, da es örtlich nicht zuständig sei. So ging der Kläger in Berufung vor das Landgericht Berlin.

Das Landgericht Berlin war im Hinblick auf die Zuständigkeit des AG Charlottenburg anderer Ansicht, weil es einen über die bloße Abrufbarkeit des Beitrages über den Kläger hinaus erforderlichen Bezug zu dem Gerichtsbezirk des Amtsgerichts Charlottenburg gäbe: einerseits sei der Kläger bundesweit bekannt und Menschen im gesamten Bundesgebiet, also auch im Amtsgerichtsbezirk Charlottenburg, interessierten sich für ihn; andererseits richte sich das Internetangebot der Beklagten ohne jegliche lokale oder regionale Einschränkung an potentielle Nutzer in ganz Deutschland. Mithin könne sich eine etwaige Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers durch Veröffentlichungen auf dieser Seite auch im Bezirk des Amtsgerichts Charlottenburg auswirken. Im weiteren setzt sich das Gericht mit der aktuellen Rechtsprechung zum fliegenden Gerichtsstand auseinander und kommt zu dem Ergebnis, eine Einschränkung des fliegenden Gerichtsstands (§ 32 ZPO) bei persönlichkeitsrechtsverletzenden Internetveröffentlichungen komme nur in Betracht, wenn die veröffentlichte Meldung einen klaren lokalen oder regionalen Bezug hat. Dieser Fall lag hier freilich nicht vor. Letztlich, so das Landgericht, müsse man sich dem gegebenenfalls vorliegenden Missbrauch des fliegenden Gerichtsstands fügen, solange der Gesetzgeber hier keine konkretere Regelung schafft. Im übrigen ging das Landgericht von einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers durch die Veröffentlichung auf dem Internetangebot der Beklagten aus, da die darin verhandelten Themen der Privatsphäre des Klägers entstammen. Der Klage gab es dennoch nicht vollständig statt, da die Forderung zu hoch angesetzt war.

Damit führt das LG Berlin auf den ersten Blick einen empfindlichen Schlag gegen die neuere Entwicklung in der Rechtsprechung, die den fliegenden Gerichtsstand bei Internetstreitigkeiten für unangemessen hält. Doch öffnet das LG Berlin dankenswerter Weise zugleich den Weg für eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs: es ließ die Revision gegen die Entscheidung zu, weil die Frage, ob der fliegende Gerichtsstand bei persönlichkeitsrechtsverletzenden Inhalten im Internet grundsätzliche Bedeutung hat und höchstrichterlich noch nicht geklärt ist. Ob die Parteien diese Möglichkeit nutzen und wir in Kürze eine BGH-Entscheidung erhalten, bleibt abzuwarten.

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