OGH-Urteil

Meinungsfreiheit auch in Domains?

Der Oberste Gerichtshof in Österreich hat, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Zulässigkeit „kritisierender“ Domains in Österreich fehlt, die Revision im Streit um die Domain aquapol-unzufriedene.at zugelassen, und der Meinungsfreiheit vor dem Persönlichkeitsrecht den Vorzug gegeben (Urteil vom 24.02.2009, Az.: 17Ob2/09g).

Die Klägerin ist auf dem Gebiet der Gebäude- und Mauertrockenlegung tätig. Sie tritt unter dem Firmenschlagwort „Aquapol“ auf, das mit dem Wortbestandteil einer für sie registrierten Gemeinschaftsmarke übereinstimmt, und ist Inhaberin der Domain www.aquapol.at. Der Beklagte ist Inhaber der Domain aquapol-unzufriedene.at, unter der er Informationsaustausch anbietet. Er meint, die Domain nutze das Firmenschlagwort der Klägerin mit einem beschreibenden Zusatz, der auf das Thema der Website verweise; das sei eine von der Meinungsfreiheit gedeckte Nutzung des Schlagwortes. Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte verletze ihre Markenrechte; er könne sich anderer Domain-Namen bedienen, um seine Kritik zu äußern. In erster Instanz (LG St. Pölten Urteil vom 07.02.2008, Az.: 1 Cg 57/07x-7) wurde die Klage abgewiesen, in zweiter Instanz, vor dem OLG Wien (Urteil vom 13.10.2008, Az.: 16 R 72/08p-11), bekam die Klägerin Recht. Beide Instanzen lehnten eine Markenrechtsverletzung ab, da der Verkehr die Marke, so verwendet, nicht als betriebliches Herkunftszeichen auffasse. Wohl aber beim Namens- oder Persönlichkeitsrecht war das OLG Wien anderer Ansicht und gab der Klägerin recht.

Der Beklagte legte Revision ein, so dass nun das höchste Österreichische Zivilgericht entscheiden konnte. Dieses bestätigte die Revision und wies die Klage ab. Der OGH sah hier ebenfalls keine Markenrechtsverletzung und bestätigte die Einschätzungen der anderen Gerichte. Eine Namensrechtsverletzung lag auch nach Ansicht des OGH nicht vor, da der Beklagte weder das Recht der Klägerin, unter ihrem Firmenschlagwort aufzutreten, bestreite, und er Dritten gegenüber nicht unter ihrem Firmenschlagwort auftrete. Es liege eine schlichte Namensnennung vor, die mangels Identitäts- oder Zuordnungsverwirrung das Namensrecht nicht berühre. Weiter lag auch keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch die Namensnennung vor: grundsätzlich seien kritisierende Domain-Namen zulässig, im Internet gelte da nichts anderes als bei anderen Medien. Bei der Interessenabwägung zwischen Persönlichkeitsrecht der Klägerin und dem Recht auf Meinungsfreiheit des Beklagten sah der OGH die Klägerin in der Pflicht, die mit ihrem umstrittenen alternativen Trockenlegungsverfahren Anlass zu kritischer Auseinandersetzung gegeben habe. Für die Nutzung des Mediums Internet zur kritischen Auseinandersetzung sieht das Gericht auch keine Alternative bei der Wahl einer Domain: eine solche kann nur das Schlagwort der Klägerin beinhalten, andernfalls würde die Website nicht gefunden.

Damit zeichnet sich nun auch in Österreich eine klare Rechtsprechung zu meinungsäußernden Domain-Namen ab. Die deutschen Entscheidungen wie oil-of-elf.de (KG Berlin, Urteil vom 23.10.2001, Az.: 5 U 101/01), stoppesso.de (LG Hamburg, Beschluss vom 10.6.2002, Az.: 312 O 280/02), lotto-betrug.de (LG Frankfurt/M, Beschluss v. 30.03.2006, Az.: 2/03 0 112/05) und awd-aussteiger.de (OLG Hamburg, Urteil vom 18.12.2003, Az.: 3 U 117/03), in denen die Meinungsfreiheit Vorrang erhielt, einerseits und scheiss-t-online.de (LG Düsseldorf, Urteil vom 30.01.2002, Az.: 2a O 245/01), bei der das Gericht befand, die Wertschätzung einer bekannten Marke werde durch den Domain-Namen in unlauterer Weise beeinträchtigt, andererseits beschäftigten bisher den Bundesgerichtshof als höchstes Zivilgericht nicht.

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