Glosse

So schreibt man ICANN richtig an

ICANN zeichnet sich dadurch aus, dass sie beinahe die gesamte an sie gerichtete Korrespondenz veröffentlicht. Aber das alleine genügt einigen Absendern nicht: sie wollen auch Beachtung finden. Wie man die erlangt, zeigt Domain-Fachmann Andrew Allemann (domainnamewire.com) in einer zynischen Glosse.

ICANN, die das Internet verwaltende Internet Corporation for Assigned Names and Numbers, steht für Transparenz. Die verschiedenen Verfahren zur Entscheidungsgewinnung werden öffentlich gemacht. Regelmäßig gibt es die berühmten ICANN-Meetings, es gibt öffentliche Kommentierungsverfahren zu bestimmten Themen sowie Fragen und Schreiben an ICANN; deren Beantwortung stellt ICANN regelmäßig (aber nicht in der Regel) für jeden einsehbar ins Internet. Doch wie formuliert man stilsicher einen Brief an ICANN, damit er auch die gehörige Aufmerksamkeit erzielt? Andrew Allemann gibt ein paar Tipps, die er aus bekannten Briefen zusammengestellt hat und die wir hier in eigener Form aufgreifen:

Adressieren Sie den Brief an den ICANN-CEO, das ICANN-Direktorium (ICANN-Board) und alle anderen:
ICANN gibt seinem Publikum die Möglichkeit, öffentlich online bestimmte Themen zu kommentieren. Das ist der einfache Weg, für jedermann. Wenn Sie aber wirklich bei ICANN Gehör finden wollen, schreiben Sie einen Einschreibebrief, der gleichzeitig an den ICANN-Geschäftsführer, an einzelne Direktoren des ICANN-Board und an jeden anderen bei ICANN adressiert ist. Sie möchten ja nicht nur vom Chef gehört werden, sondern auch sicherstellen, dass das Direktorium, an das der ICANN-Chef berichtet, weiß, was Sie wollen und dass der Chef auch wirklich berichtet. Online zu kommentieren, wie jeder andere auch, bedeutet, nicht von jedem wahrgenommen zu werden. Nur der offizielle Brief, der dann von ICANN online veröffentlicht wird, zählt und hat Klasse.

Stellen Sie eine Dankesformel voran:
Wichtig ist, dass Sie sich für die Möglichkeit, ein Thema kommentieren zu dürfen, bedanken. Denn es ist Ihr Thema, zu dem Sie Ihre Bedenken äußern dürfen. Und weil das so ist, nutzen Sie die Gelegenheit, Ihre Bedenken zu Ihrem Thema per Einschreiben zu artikulieren – und nicht wie jeder andere per Onlinekommentar.

Zeigen Sie Ihre Dankbarkeit:
Danken Sie weitschweifig und nachdrücklich für die Arbeit der ICANN-Mitarbeiter zu Ihrem Thema. Keine Angst, man wird Sie verstehen: der Ausdruck Ihrer besonderen Dankbarkeit für das aufwändige Wirken der selbstlosen ICANN-Mitarbeiter wird korrekt als Hinweis auf die aus Ihrer Sicht tatsächlich ziellosen Beschäftigungsterapie von unfähigen Dumpfbacken auf Kosten der Internetnutzer verstanden werden.

Berichten Sie von Ihren Vorstellungen:
Sie können Ihre Dankbarkeitsäußerung geschickt auch gleich mit einer Formel einleiten, die die Option auf direkte Kritik eröffnet, wie etwa: »Wenngleich wir für die harte Arbeit danken …«. Dann fügt sich eine Darstellung der eigenen Interessen und wie ICANN sie hätte berücksichtigen müssen, wie von selbst. Man überzeugt dabei desto mehr, wenn man Floskeln wie »wie Sie bereits wissen« oder »die Ihnen bekannt sind« einstreut. Ein höherer Grad der Komplexität ergibt sich für von Anwälten vertretene Interessengruppen. Hier sollte Sie tunlichst darauf achten, dass etwaigen Kommentierungsfristen von beispielsweise »inakzeptabler Kürze von lediglich 60 Tagen« verlängert werden, bis auch das letzte ignorante Mitglied der vertretenen Gruppe Gelegenheit hatte, einen verständnislosen Kommentar abzugeben. Die Verlängerung solcher Fristen kostet Zeit und Geld und macht deutlich, wie wichtig Ihr Anliegen ist. Auch wenn es niemanden außer Ihnen interessiert.

Seien Sie kraftvoll in Ihren Wendungen:
Sie wollen Ihren Punkt deutlich machen? Begriffe wie »unangemessen«, »falsch« und »inakzeptabelq reichen da beim besten Willen nicht aus. Nutzen Sie Verstärker und formulieren Sie nachhaltig: »absolut unangemessen«, »nachdrücklich falsch«, »vollständig inakzeptabel«, erst dann werden Sie verstanden.

Das Letzte:
Der letzte Eindruck, das hat die Wissenschaft auch erkannt, hat eine nachhaltige Wirkung. Ihr letzter Satz ist so der alles entscheidende. Erwähnen Sie die Verpflichtungserklärung (AOC, Affirmation of Commitments), die ICANN gegenüber dem US-Handelsministerium eingegangen ist, um das Internet weiter – zum Wohle der Internetgemeinschaft (und des Geldes) – verwalten zu dürfen. Die Erwähnung dieser Verpflichtungserklärung klingt immer ein wenig, als könnte ICANN durch Handeln gegen Ihre Interessen zugleich gegen die AOC verstoßen und sorgt für besondere Aufmerksamkeit.

Soweit die verantwortungsvolle Hilfestellung von Andrew Allemann. Dass er damit richtig liegt, bestätigt übrigens Jean Guillon, der mitteilt, dass ICANN seinen Brief nicht veröffentlichte – wohl weil er versäumt hatte, sich für die Möglichkeit einer Stellungnahme zu bedanken.

Kommentar schreiben

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht, oder weitergegeben.
Bitte füllen Sie die gekennzeichneten Felder aus.*

Abonnieren Sie unseren Newsletter

Der Domain-Newsletter von domain-recht.de ist der deutschsprachige Newsletter rund um das Thema "Internet-Domains". Unser Redeaktionsteam informiert Sie regelmäßig donnerstags über Neuigkeiten aus den Bereichen Domain-Registrierung, Domain-Handel, Domain-Recht, Domain-Events und Internetpolitik.

Mit Bestellung des Domain-Recht Newsletter willigen Sie darin ein, dass wir Ihre Daten (Name und E-Mail-Adresse) zum Zweck des Newsletterversandes in unseren Account bei der Episerver GmbH, Wallstraße 16, 10179 Berlin übertragen. Rechtsgrundlage dieser Übermittlung ist Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a) der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen, indem Sie am Ende jedes Domain-Recht Newsletters auf den entsprechenden Link unter "Newsletter abbestellen? Bitte einfach hier klicken:" klicken.

Top