kino.to

EuGH öffnet Netzsperren Tür und Tor

Im Streit um die Domain kino.to erging am 27. März 2014 das Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Er folgte der Ansicht des EuGH-Generalanwalts, wonach einem Internetprovider aufgegeben werden kann, den Zugang zu einer Urheberrechte verletzenden Website zu sperren (Az. C-314/12). Damit sind Netzsperren gerichtlich abgesegnet.

2010 hatten sich drei Filmproduzenten an mehrere österreichische Internetprovider gewandt und verlangt, die Domain kino.to zu sperren, da dort in urheberrechtswidriger Weise Kinofilme abgerufen werden konnten. Da sie nicht wunschgemäß die Domain sperrten, wagten die WEGA Filmproduktionsges.m.b.h. und die Constantin Film Verleih GmbH eine einstweilige Verfügung gegen einen der Internetprovider, die UPC Telekabel Wien GmbH. Damit waren sie vor dem Handelsgericht Wien (Beschluss vom 13.05.2011) erfolgreich, die UPC musste den Zugriff auf die Domain für ihre Kunden sperren. Die Antragsgegnerin UPC stand dabei in keiner Rechtsbeziehung zu den Betreibern von kino.to und stellte ihnen weder Internetzugang noch Speicherplatz zur Verfügung. Die UPC legte erfolglos Rekurs gegen die Verfügung beim Oberlandesgericht Wien ein. Der Rechtsstreit landete weiter beim Obersten Gerichtshof Österreichs, der sich im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH wandte mit der Frage, ob auch der Provider, der nur den Nutzern einer rechtswidrigen Website Internetzugang verschafft, als Vermittler im unionsrechtlichen Sinne zu betrachten ist, dessen Dienste von einem Dritten – wie dem Betreiber einer rechtswidrigen Website – zur Verletzung eines Urheberrechts genutzt werden, so dass auch ihm gegenüber eine gerichtliche Anordnung erwirkt werden kann. Ende letzten Jahres hatte sich der europäische Generalanwalt Pedro Cruz Villalón in seinem Schlussantrag dahin geäußert, dass auch der Internetprovider als Adressat einer gerichtlichen Anordnung in Betracht komme.

Der EuGH folgte mit Urteil vom 27. März 2014, Az.: c-314/12 der Ansicht Villalóns und geht davon aus, dass nach der unionsrechtlichen Regelung in Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 die Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass die Rechteinhaber gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden. Der EuGH sieht hier den Internetprovider UPC als Vermittler an, weshalb die Sperrverfügung hinsichtlich der Domain kino.to gegen diesen rechtens ist. Der EuGH geht sogar soweit, dass der Internetprovider solchen Verstößen vorbeugen muss. Im konkreten Falle heißt das, dass er, auch wenn die Kläger keinen Nachweis darüber führen können, dass Kunden des Internetproviders tatsächlich auf kino.to zugreifen, er die Domain sperren muss. Im Hinblick auf die Wahl der Mittel zur Sperrung gibt der EuGH den Internetprovidern freie Hand, wobei sie die Rechte der Kunden auf Information mit den Rechten (hier der Urheber auf Schutz deren Güter) abwägen müssen. Wesentlich ist, dass der Internetprovider nachweisen kann, zumutbare Maßnahmen ergriffen zu haben, um weitergehende Ansprüche abzuwehren.

Mit dieser Entscheidung etabliert der EuGH Netzsperren, deren Sinnlosigkeit eigentlich bestens bekannt ist. Das Urteil ist ein schwerer Schlag gegen die Netzfreiheit in Europa. Das gilt nicht nur aufgrund des konkreten Sachverhalts, sondern der erwartbaren Auswüchse der Entscheidung. Grundsätzlich können jetzt Urheberrechtsinhaber jeden Zugangsprovider eine Internetsperre aufzwingen – unabhängig davon, ob über deren System urheberrechtswidriges Material läuft oder nicht. Und wie weit reicht die Pflicht zur Vorbeugung? Wenn es schon nicht darauf ankommt, ob seine Kunden auf eine Domain mit urheberrechtswidrigen Inhalten zugreifen, muss der Zugangsprovider auch ohne Aufforderung des Urhebers sperren? Weiter lässt sich fragen, wer als Vermittler im Sinne von Art. 8 der Richtlinie in Betracht kommt. Der EuGH ließ das offen, da es dem Wortlaut der Norm nicht zu entnehmen ist. Kann dann nicht auch der Strombetreiber des Zugangsproviders als Vermittler gelten? Denn seine Stromlieferung an den Provider sorgt für die hypothetische Vermittlung rechtswidriger Urheberrechtskopien. Die scharfe Kritik an der Rechtsansicht des Generalanwalts von Seiten eco eV, dessen Vorstand für Politik & Recht Oliver Süme einen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis und Zensur wie in totalitären Staaten befürchtete, war jedenfalls vergebens.

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