First come, first served! Teil 2.1 ­ vallendar.de

OLG Koblenz u.a.

Damals, in den frühen Tagen des Internet, kurz vor dem Boom mitte der 90er des vergangenen Jahrhunderts, da gab es eine unumstößliche Regel für die Rechte an einer Domain: first come, first served! Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Schaut man sich aber um, kommen einem massive Zweifel, ob diese Regel heute noch gilt.

Nachdem in Teil 1 deutlich wurde, dass Unternehmen mit überragender Bekanntheit das Prinzip „first come, first served!“ aushebeln, haben wir uns im zweiten Teil mit reinen Städtenamen befaßt und festgestellt, dass das Prinzip „first come, first served!“ im Verhältnis zwischen gleichberechtigten Namensinhabern greift, auch wenn einer der Namensinhaber eine Stadt ist. Dies wurde nun nochmals bestätigt mit den Entscheidungen vallendar.de und suhl.de, auf die wir gleich zurückkommen. Im Teil 3 haben wir zusammengesetzte Städtenamen-Domains in Augenschein genommen und festgestellt, dass sich dabei die Frage nach der Nutzung als Name oder als örtliche Bezeichnung stellt.

Anlass für das erneute Aufgreifen der Frage nach dem Prinzip „first come, first served!“ bei Namensgleichheit zwischen Personen und Städten gibt die am 25.01.2002 vor dem 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz ergangene Entscheidung über die Domain vallendar.de. Sowohl das OLG wie auch die Vorinstanz, dass LG Koblenz, haben in ihren Entscheidungen nochmals klargestellt, was vom LG Coburg in der Entscheidung tschirn.de bereits ausgesprochen hatte:

Bei Gleichnamigkeit sind die Interessen der berechtigten Namensträger gegeneinander abzuwägen, wobei in erster Linie das Gerechtigkeitsprinzip der Priorität gilt. Dem muss sich bei einem Streit von zwei Gleichnamigen grundsätzlich auch der bekanntere Namensträger unterwerfen.

Während das LG Coburg noch davon sprach, dass es anders nur bei überragender Verkehrsgeltung der Bezeichnung der Gemeinde sein kann, die aber bei einer nur regionalen Bedeutung des Namens der Kommune nicht anzunehmen ist, präzisieren die Gerichte in Koblenz es dahin, dass grundsätzlich auch bekanntere Namensträger sich diesem Prinzip unterwerfen müssen. Dieses Prinzip beschränkt sich allein auf die Registrierung des Domain-Namens.

Die Ausnahmen zu diesem Prinzip hatten wir im Teil 1 bereits besprochen, z.B. krupp.de.

Nun aber die Einzelheiten zu der Entscheidung: Das OLG Koblenz wies die Klage der Stadt Vallendar gegen eine an der Mosel tätige Vallendar Brennereitechnik GmbH auf Löschung des für diese registrierten Domain-Namens „vallendar.de“ zurück (Urteil vom 25.1.2002, Az.: 8 U 1842/00). Das Unternehmen hatte den Domain-Namen im April 1998 registriert. Im November 1999 versuchte die Stadt Vallendar eben diese Domain zu registrieren, ihr Registrierungsantrag wurde jedoch zurückgewiesen.

Die Stadt erhob Klage vor dem Landgericht (LG) Koblenz, mit der sie die Löschung der registrierten Domain begehrte. In erster Instanz war die Stadt erfolgreich, weil das LG Koblenz der Zeitpunkt der Priorität anders verstand als das später angerufene OLG. Versehentlich wurde die Domain unter einem falschen Unternehmensnamen registriert, der aber später berichtigt wurde – nachdem die Stadt versucht hatte, ihrerseits die Domain zu registrieren. Das LG orientierte sich hinsichtlich der Rechte des Unternehmens an dem Zeitpunkt der Berichtigung. Damit war aus Sicht des LG die Gemeinde bevorrechtigt.

Für das OLG war maßgebender Zeitpunkt der, in dem die Registrierung der nicht existenten Firma erfolgte – also bereits im April 1998. Bei der Registrierung unter einem falschen Namen handele es sich um eine offensichtliche Unrichtigkeit, die gemäß § 39 Abs. 2 MarkenG jederzeit korrigiert werden könne. Die zunächst fehlerhafte Eintragung des Domain-Inhabers sei deshalb unschädlich.

Beide Instanzen waren sich darin einig, dass beide Parteien gleichermaßen Namensrechte besitzen, aber niemand ein bevorrechtigtes, so dass letztlich das Gerechtigkeitsprinzip der Priorität gelte: „first come, first served!“. Das Argument, die Stadt sei bereits in den Jahren 830/840 erwähnt, war entscheidungsunerheblich. Das OLG führt aus:

„Für die hier zu beurteilende Priorität kommt es nicht auf die erstmalige Benutzung des Namens an. Zwar wird im Falle der Gleichnamigkeit und bei Bestehen von Verwechslungsgefahr demjenigen Namensträger Priorität eingeräumt, der den Namen, wenn auch in anderer Rechtsform, als Erster benutzt hat (…). Das kann aber, jedenfalls soweit wie vorliegend eine Verwechslungsgefahr ausgeschlossen ist, für das Internet nicht gelten.

Zum einen geht es insoweit nicht um den Gebrauch des Namens bzw. der Namenskurzbezeichnung, sondern um den Gebrauch einer bestimmt geformten Internet-Adresse. Schon deshalb muss es darauf ankommen, wer die Internet-Adresse zuerst in Gebrauch genommen hat. Zum anderen geht es nicht um die Verhinderung einer Verwechslungsgefahr, sondern darum, wer eine registrierte Internet-Adresse zuerst besetzt. Auch deshalb kann es für die Frage der Priorität nur auf den Zeitpunkt der Reservierung ankommen. Andernfalls könnte der Konflikt zwischen natürlichen Personen nicht mehr gelöst werden. Bei Firmen hätte jeder Internet-Anbieter ständig zu befürchten, dass irgendwo in Deutschland oder bei der Top level-Domain „com“ irgendwo auf der Welt ein Träger gleichen Namens, der frühere Namensrechte nachweisen kann, auftreten würde. Selbst bei den originären Namen der Gemeinden käme es für die Priorität auf den Stand der Forschung an, wann der Gemeindename erstmals nachgewiesen werden kann (…).“

Das Urteil finden Sie hier.

In diese Reihe von Entscheidungen reiht sich die über die Domain suhl.de ein, die am 31. Januar 2002 vor dem LG Erfuhrt erging, deren Entscheidungsgründe aber zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vorliegen. In dem Rechtsstreit hat die Gemeinde Suhl gegenüber dem gleichnamigen Lübecker Privatmann Norbert Suhl vor Gericht verloren.

Die Gemeinde begründete ihre Klage namensrechtlich; sie ist der Ansicht, der Ortsname gebe vorrangiges Anrecht auf den Domain-Namen. Aber auch in diesem Fall sah das Gericht die Dinge anders und wies die Klage ab.

Peinlich für die Stadt ist nicht nur der verlorene Prozeß (sie prüft noch, ob sie Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegen wird), sondern der Umstand, dass sie einstmals Inhaberin der Domain war, sie aber verlor, weil man versäumte, die Verlängerungsgebühr für die Registrierung zu zahlen.

Herr Suhl hingegen, der unter dem Domain-Namen eine private Familien-Webseite betreibt, hatte die Domain der Gemeinde für EUR 32.000 angeboten, was Stadt Suhl, die lediglich DM (!) 2.000 zu zahlen bereit war, ausschlug.

Nochmal: bei dem Konflikt im Bereich des Namensrechts ist die Priorität der Erlangung des Namens nicht ausschlaggebend. Gerade bei Familien- und Gemeindenamen, aber auch bei Firmennamen müßte man weit in die Geschichte zurückgehen und könnte letztlich doch nicht entscheiden, wer ältere Rechte am Namen hat. Es gilt im Hinblick auf Domain-Namen das Prinzip „first come, first served!“ soweit sich jemand auf sein Namensrecht beruft (und nicht noch zugleich auf andere Rechte wie das Markenrecht); die Ausnahmen von diesem Prinzip haben wir früher beschrieben.

Anhang:

§ 39 ­ Zurücknahme, Einschränkung und Berichtigung der Anmeldung

(1) Der Anmelder kann die Anmeldung jederzeit zurücknehmen oder das in der Anmeldung enthaltene Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen einschränken.

(2) Der Inhalt der Anmeldung kann auf Antrag des Anmelders zur Berichtigung von sprachlichen Fehlern, Schreibfehlern oder sonstigen offensichtlichen Unrichtigkeiten geändert werden.

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