Strafrecht

Keine Allzuständigkeit im Internet

In Rechtsstreiten über Rechtsverletzungen im Internet taucht immer wieder die Frage des zuständigen Gerichts auf. Der Begriff des fliegenden Gerichtsstands ist sattsam bekannt. Dass die Zuständigkeitsfrage aber nicht nur in der Zivilgerichtsbarkeit relevant ist, sondern auch im Strafrecht, zeigt eine Entscheidung von Januar 2014 des Landgerichts Stuttgart.

Hintergrund für die Frage der örtlichen Zuständigkeit war der Antrag der zuständigen Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht Stuttgart auf Erlass eines Strafbefehls wegen einer verleumderischen Veröffentlichung im Internet. Der Strafbefehl sollte gegen eine Angeschuldigte gehen, die zur Verächtlichmachung von Justizbediensteten im Internet ihre Haftbedingungen als diskriminierend darstellte. Das Strafbefehlsverfahren stützte sich zuletzt auf den Tatbestand der Verleumdung (§§ 187, 194, 25 Abs. 2 StGB). Das auf Erlass des Strafbefehls angerufene Amtsgericht Stuttgart erklärte sich für örtlich unzuständig, woraufhin die Staatsanwaltschaft die Entscheidung anfocht. Nun überprüfte das Landgericht Stuttgart die Entscheidung des Amtsgerichts.

Das Landgericht Stuttgart wies die Anfechtung zurück und bestätigte die Unzuständigkeit des Amtsgerichts Stuttgart (Beschluss vom 15.01.2014, Az.: 18 Qs 71/13). In Stuttgart war für die Angeschuldigte weder Gerichtsstand des Wohnorts noch der des Tatorts. Sie befand sich zu dem Zeitpunkt der Abfassung und der späteren Veröffentlichung der verächtlich machenden Beiträge im Internet an jeweils anderen Orten in Untersuchungs- bzw. Strafhaft. So blieb nur noch die Zuständigkeit des Erfolgsorts: in Stuttgart konnte man die Internetinhalte auch abrufen. Doch dieser Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit griff ebenfalls nicht. Das Landgericht konzedierte, dass die Frage der Begründung der örtlichen Zuständigkeit bei Internetdelikten über eine Anknüpfung an den Erfolgsort (§ 9 Abs. 1 Variante 3 StGB) insgesamt und je nach Deliktskategorie sehr umstritten ist. Bei abstrakten Gefährdungsdelikten, wie es – nach Auffassung des LG Stuttgart – die Verleumdung ist, geht man allgemein davon aus, dass es keinen Erfolgsort im Sinne der Vorschrift (§ 9 StGB) gibt. Die Vorschrift wird bewusst für Internetdelikte eingeschränkt angewendet, damit für das deutsche Strafrecht nicht bei aus dem Ausland begangenen Taten eine unangemessene Allzuständigkeit entsteht. Aber selbst wenn man die Verleumdung als abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt verstehen würde, so wäre, nach Ansicht des LG Stuttgart, die bloße Möglichkeit der Kenntnisnahme der Verleumdung im Internet nicht hinreichend konkret. Die Begründung eines Gerichtsstandes in Stuttgart aufgrund einer erfolgsorientierten Gefährdung komme nur in Betracht, wenn sich die Gefahr im dortigen Gerichtsbezirk bereits konkretisiert hätte, was hier allerdings nicht ersichtlich sei. Der Handlungsort für den fraglichen Zeitraum sah das Gericht in Berlin.

Die Entscheidung findet sich auf juris.de und ist nur für angemeldete Nutzer einsehbar.

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