DENIC

Urteil zur Vollstreckungshaftung

Das Amtsgericht Frankfurt/Main erörterte in einem schon länger entschiedenen Urteil die Frage der Haftung der DENIC im Falle, die zu pfändenden Domains werden kurzfristig vom Inhaber auf einen Dritten übertragen. Das umfangreiche Urteil klärt jedoch nicht, ob DENIC Drittschuldner ist.

Die Kläger nehmen die DENIC eG auf Schadensersatz infolge gescheiterter Verwertung von Domain-Namen in Anspruch. Die Kläger betrieben gegen einer ihrer Schuldner, dem Vollstreckungsschuldner, die Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil. Nachdem der Vollstreckungsschuldner die eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte, wollten die Kläger dessen Domains pfänden und sandten der Beklagten, der DENIC, einen Pfändungsbeschluss, in dem es heißt, dass die Ansprüche und Rechte aus den durch die Registrierung bei dem Drittschuldner abgeschlossenen Domain-Verträgen einschließlich sämtlicher Rechte aus der vertraglichen Beziehung zur Drittschuldnerin gepfändet werden, wobei das für den Pfändungsbeschluss zuständige Amtsgericht die Beklagte als Drittschuldnerin erfasste. Der Pfändungsbeschluss ging der Beklagten am 20. Februar 2007 zu. Mit Schreiben vom 01. März 2007 bestätigte sie die Zustellung des Pfändungsbeschlusses, widersprach ihrer Stellung als Drittschuldnerin und gab keine Drittschuldnererklärung ab. Auf Antrag der Kläger vom 11. April 2007 auf Verwertung der gepfändeten Domain-Namen durch Versteigerung im Internet über Sedo erließ das Amtsgericht Nordham am 21. August 2007 einen Verwertungsbeschluss. Bereits am 28. Juli 2007 hatte der Vollstreckungsschuldner vier der fünf Domains, die gepfändet werden sollten, auf einen Dritten übertragen. Die fünfte Domain hatte die Beklagte wegen Nichtzahlung später gelöscht. Die Übertragungen erfolgten nach § 6 Abs. 2 DENIC-Domainbedingungen: Der Vollstreckungsschuldner hatte über seinen Provider die zwischen ihm und der Beklagten bestehenden Domain-Verträge gekündigt, woraufhin die Beklagte die Verbindung des Nameservers zu dem Zielrechner des Vollstreckungsschuldners gekappt hatte; gleichzeitig hatte die geplante Nachfolgerin der Domain-Namen, die Mutter des Vollstreckungsschuldners, über einen Provider den Auftrag an die Beklagte zur Registrierung der zuvor auf ihren Sohn registrierten Domain-Namen auf sich erteilt. Diese Aufträge hatte die Beklagte mittels Herstellung der Verbindung zwischen Zielrechner der Mutter und Nameserver angenommen.

Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 13. Mai 2011 zur Zahlung von Schadensersatz auf mit der Begründung, bei rechtmäßigem Verhalten der Beklagten und Abgabe der Drittschuldnererklärung innerhalb der Zwei-Wochen-Frist ab Zustellung des Pfändungsbeschlusses hätte eine Verwertung der Domain-Namen stattgefunden, bei der ein Erlös in Höhe der titulierten Forderung und des bis dahin entstandenen Schadens erzielt worden wäre. Die Beklagte hält unter anderem entgegen, sie hafte nicht, weil alle Schadenspositionen selbst bei Erteilung der vermissten Auskunft binnen zwei Wochen nach Zustellung des vermeintlichen Arrestatoriums entstanden wären; außerdem sei sie nicht Drittschuldnerin. Jedenfalls habe sie gegen das ihr auferlegte Verbot, Leistungen aus den streitgegenständlichen Domain-Verträgen zu erbringen, mit der Löschung der streitgegenständlichen Registrierungen, die ja das Ende einer Leistungserbringung markieren, (evident) nicht verstossen. Die Kläger reichten schließlich Schadensersatzklage beim Amtsgericht Frankfurt/M ein.

Das Amtsgericht Frankfurt/M wies die Klage als unbegründet zurück (Urteil vom 08.08.2012 Az.: 31 C 2224/11). Einerseits fehlte es in jedem Fall an einer Ursächlichkeit der vermissten Auskunft der Beklagten für die geltend gemachten Schadensposten, denn selbst mit der Auskunft, die sich darauf beschränkt hätte, dass Ansprüche des Vollstreckungsschuldners gegen die Beklagte aus den streitgegenständlichen fünf Domainregistrierungsverträgen tatsächlich bestehen, hätte sich nichts an der Übertragung der Domains an einen Dritten geändert. Die Beklagte hätte die Klägerin jedenfalls nicht darauf hinweisen müssen, dass der Inhaber die Domains kündigte, um sie zu übertragen. Auch aufgrund des Entzugs des Pfändungsgegenstandes bestünden keine Ansprüche. Schon eine Pflichtverletzung der Beklagten sei nicht ersichtlich. Das Pfändungsgericht hätte im Pfändungsbeschluss unmissverständlich klar machen müssen, was die Drittschuldnerin tun und lassen muss und darf. In dem Falle hätte sie erklären müssen, es insbesondere zu unterlassen, die auf den Schuldner eingetragene Domain zu löschen. Eine solche Anordnung hat das Gericht aber nicht getroffen: Der betreffende Pfändungsbeschluss spricht kein Verbot an die Beklagte aus. Die Dekonnektierung der Domains ist eine Leistungserbringung aus den Domain-Verträgen; damit hat die Beklagte genau das getan, was ihr im Pfändungsbeschluss aufgegeben wurde. Auch die weiteren geltend gemachten Anspruchsgrundlagen verwarf das Gericht, sei es weil die Rückführung formaler Vollstrekkungsnormen in schuldrechtliche Ansprüche wegen der Vertragspflichten der Beklagten gegen die jetzigen Inhaber der Domains nicht anwendbar sind, oder die Beklagte sich nicht sittenwidrig verhalten hatte, indem sie die Position als Drittschuldnerin zurückwies, da die Frage ihrer Drittschuldnerstellung in Rechtsprechung und Literatur sehr umstritten und noch nicht ausdiskutiert ist, sie also berechtigter Weise handelte.

Das Amtsgericht Frankfurt/M hat mit dieser Entscheidung tief in die Rechtskiste gegriffen und Gutes zu Tage befördert. Aber allen Unkenrufen zum Trotz: die Frage der Drittschuldnerstellung der DENIC war nicht Thema dieser Entscheidung, und sie wurde vom Amtsgericht Frankfurt/M auch nicht beantwortet. Das Gericht macht mehrmals darauf aufmerksam, dass die Frage sich gar nicht stelle; es konstatiert lediglich, dass die Frage sehr umstritten und nicht abschließend geklärt ist. Dem kann man nur zustimmen.

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