Der Wert einer Domain

Unsortierte Anmerkungen eines stillen Beobachters.

Kaum etwas erscheint schwieriger, als den Wert einer Internet-Domain festzustellen – oder zu schätzen. Spektakuläre Domain-Geschäfte wie irepot(s).com (US$ 750.000,–), cruises.co.uk (GBP 560.000,–) und datarecovery.com (ca. US$ 1,7 Mio.) sind für Außenstehende ein Rätsel; für viele Domainer ebenfalls. Man fragt sich, wie diese utopisch anmutenden Preise zustande kommen. Auf Grundlage von üblichen Appraisals jedenfalls nicht. Was ist das Geheimnis solcher Domainpreise?

Der Preis von knapp US$ 1,7 Mio. (gut EUR 1.1 Mio.) für datarecovery.com zeigt die Möglichkeiten. Ben Carmichtel, President des Unternehmens, das diesen Betrag für die Domain hingelegt hat, arbeitete nach eigenen Angaben 5 bis 6 Jahre daran, das Geschäft abzuschließen. In welchen Schritten das Kaufangebot für die Domain im Laufe der Jahre gestiegen ist, ist nicht bekannt. Die Inhaberin der Domain wollte verkaufen, aber nicht zu einem Spottpreis. Die Revenuen, die Domain einbrachte, waren sehr einträglich. Aber verkauft hat die Inhaberin. Und der Käufer war bereit, diesen Preis zu zahlen. Wer hat nun den Preis bestimmt?

Für die Mehrheit wäre dieser Preis für die Domain ganz und gar überzogen. Doch ESS Data Recovery als neue Inhaberin spart sich jetzt die ersten drei Buchstaben: die müssen dem Kunden nicht mehr mitgeteilt werden, um auf die Internetseite verwiesen zu werden. Und andere Nutzer und potentielle Kunden kommen per type-in auf datarecovery.com. Es zeichnet sich ab, dass die Domain sehr einträglich wird für die neue Inhaberin. Einträglicher als für jeden anderen. Der Käufer hat den Preis für die Domain anders bemessen als ein Domainer – ausgenommen dem Verkäufer.

An dieser Stelle lässt sich trefflich über den Sinn und Nutzen von Appraisals streiten, sie orientieren sich – zumindest teilweise – an objektiven Kriterien. Der Preis von datarecovery.com wäre bei einem normalen Appraisal jedenfalls nicht herausgekommen, desgleichen bei Domains wie ireport(s).com, cruises.co.uk und ähnlich herausragenden Domain-Geschäften. Die Bewertung einer Domain liegt letzten Endes im Auge des Betrachters. Der Käufer macht den Preis. Freilich: diese subjektive Wertschätzung für sich dingfest zu machen, ist gerade das Problem. Und in das hat der Domainer keinen präzisen Einblick; er weiss seinerseits nicht, welchen Preis er für eine Domain anzusetzen hat. Der Käufer für sich weiss aber ebenfalls nicht, welchen Wert die Domain für ihn tatsächlich hat. Meist ahnt er gar nicht, welche positiven wirtschaftlichen Folgen der Kauf der richtigen Domain nach sich zieht. Die Domain, die bei Registrierung nur US$ 10,– kostet erscheint auf dem Sekundärmarkt als zu teuer.

Die genannten Beispiele haben dabei eins gemeinsam: Käufer waren jeweils Unternehmen, die die Domains unmittelbar für ihr Geschäft nutzen. Die üblichen Verkaufsdaten, über die wir hier berichten, sind Deals unter Domainern. Bei den großen Domain-Auktionen, beispielsweise während dem Domainertreffen T.R.A.F.F.I.C., werden die Domains nur innerhalb der Branche verteilt. Hier spielt eine Menge Wunschdenken und Spekulation bei der Preisbildung eine Rolle. Bestes Beispiel ist der Erwerb von flowers.mobi für US$ 200.000,–. Der Käufer Rick Schwartz sieht darin ein reines Spekulationsobjekt, das für ihn in fünf Jahren zeigen wird, ob er Geld in Muttererde gesetzt oder die Bonuskarte gezogen hat. An dieser Stelle darf allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass auch der Geschäftsführer von flowers.com seinerzeit mitgeboten hat. – Nichtsdestotrotz, Michael Gilmour von Whizzbangblog.com vermutet, hörten zehn Unternehmen aus der Domainerbranche auf, Domains zu kaufen, brächen die Domain-Preise sofort ein. Wir vermuten, bis auf einige, nämlich die, die nicht innerhalb der Domain-Zünfte erzielt werden.

Die Frage nach der Bewertung einer Domains hat vor nicht all zu langer Zeit Rick Schwartz aufgegriffen und einige seiner Domains von zahlreichen Dritten bewerten lassen. Die Ergebnisse könnten nicht gravierender auseinander liegen. Ganz ähnlich erging es nun Michael Gilmour, der objektive Bewertungsmaßstäbe für nontraffic-Domains entwickeln will. Er fragte seine Leserschaft nach dem Wert von progolfer.com. Von unter US$ 5.000,- bis über US$ 500.000,- war alles drin. Der Durchschnittswert beläuft sich auf US$ 42.145,– Der wirkliche Wert der Domain liegt aus der Sicht eines Domainers sicher weit unter dem Durchschnittswert. Denn viel Parking-Revenuen werden sich mit der Domain nicht erzielen lassen. Doch das Unternehmen, welches im Golfhandel aktiv ist, berechnet den Wert der Domain anders. Dabei soll nicht unterstellt werden, Domainer würden Domains ausschließlich parken: Die Möglichkeiten, Domains zu kapitalisieren sind vielfältig und werden von Domainern auch umgesetzt. Doch ist das Parken von Domains das Naheliegenste, weil am wenigsten Zeit- und Geldaufwendige. Ein gutes Kriterium, wenn man viele Domains verwaltet.

Das Dilemma der Wertschätzung wird nochmals am Beispiel des Kaufes von ireport(s).com von Rick Schwartz an CNN deutlich. Domainern wäre der Betrag von US$ 750.000,– für die beiden Domains zu hoch gewesen. Das bringen diese Domain letzten Endes nicht als Return on Investment ein. Rick Schwartz schloss das Geschäft mit Nichtdomainern. Diese haben einen ganz anderen Blick darauf, was sich wirklich mit einer solchen Domain machen und erwirtschaften lässt; oder können ihn haben: wahrscheinlich hat Rick Schwartz mit Engelszungen dem Käufer erst klar gemacht, welchen Wert die Domain für ihn tatsächlich hat. Und im Vergleich zu anderen Ausgaben wie Werbung sind US$ 750.000,– letzen Endes Erdnüsse. Nur sind Unternehmen noch immer nicht dafür sensibilisiert, solche Beträge in Domains zu stecken. Domains, die man für US$ 10,- einfach so registrieren kann!

Selbst Domainer haben noch nicht erkannt, welche Werte Domains wirklich haben können. Nur gelegentlich scheint dieses Wissen auf und führt zu dann erstaunlichen Ergebnissen wie ireport.com, cruises.co.uk und datarecovery.com. Unter diesem Gesichtspunkt ist es kaum vorstellbar, dass ein Appraisal hier zu einem vernünftigen Ergebnis kommen kann. Domains haben schlichtweg mindestens zwei Preise. Eher drei unterschiedliche Preisgruppen: Die Zahlungsbereitschaft von Normalnutzern dürfte weit unter den Vorstellungen von Normal-Domainern liegen. Denn die Wertmaßstäbe, die Domainer ansetzen, Traffic, PPC und so weiter, sind dem Normalnutzer eher unverständlich. Normal-Domainer ahnen aber letzten Endes nicht, welche tatsächlichen Wert die richtige Domain für ein Unternehmen darstellen und welche Ausgaben von diesem für diese vertretbar veranschlagt werden kann. Den Blick dafür haben Ausnahme-Domainer.

Bleibt die Frage, welches der korrekte Wert der Domain ist? – Der Versuch von Michael Gilmour, irgendwelche objektivierende Maßstäbe zu entwickeln, um eine Domain bewerten zu können, scheint zum Scheitern verurteilt. Das gilt auch für alle anderen, die meinen, sie hätten ihre Appraisal-Strategien im Griff. Es bedarf eines sehr guten Verkäufers, um die richtige Domain an den richtigen Nutzer zu bringen – zu einem richtige Preis. Alles andere sind PPC, Traffic und Inhaber wechsel dich-Szenarien unter Domainern.

Fortsetzung folgt

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