BGH

Gründe des Netzsperren-Urteils liegen vor

Die BGH-Entscheidung zu Netzsperren bei Urheberrechtsverletzungen, von der wir Anfang Dezember des vergangenen Jahres berichteten, liegt mittlerweile im Volltext vor. Wir haben uns die Entscheidung und Kommentare dazu angeschaut.

Die Klägerinnen sind jeweils Tonträgerhersteller, die gegen ein Telekommunikationsunternehmen vorgehen, das als so genannter Accessprovider seinen Kunden Zugang zum Internet gewährt. Die Klägerinnen verlangen von der Beklagten die Sperrung der Zugriffsmöglichkeit auf das Internetangebot goldesel.to, über das 120 Titel, deren Rechteinhaber sie sind, heruntergeladen werden können. In den Vorinstanzen (LG Köln, Urteil vom 31.08.2011, Az.: 28 O 362/10 und OLG Köln, Urteil vom 18.07.2014, Az.: 6 U 192/11) konnten sich die Klägerinnen gegen die Internetzugangsanbieterin nicht durchsetzen. Schließlich ging sie in Revision zum Bundesgerichtshof.

In der Revision beim BGH waren die Klägerinnen aber ebenfalls erfolglos, da das begehrte Verbot der Zugänglichmachung der urheberrechtlich geschützten Titel durch Netzsperren für die Beklagte nicht zumutbar ist, weil die Klägerinnen nicht zunächst gegen den Betreiber der Webseite »Goldesel« vorgegangen sind (Urteil vom 26.11.2015, Az.: I ZR 174/14). Im Rahmen der Prüfung der Störerhaftung seitens der Beklagten stellte sich die Frage der Zumutbarkeit von Überwachungs- und Sperrmaßnahmen. An dieser Stelle sei es angemessen, eine vorrangige Rechtsverfolgung gegenüber denjenigen Beteiligten zu verlangen, die entweder die Rechtsverletzung selbst begehen oder zu der Rechtsverletzung durch Erbringung von Dienstleistungen beitragen, wie etwa der Hostprovider. Die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Zugangsvermittler kommt unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nur in Betracht, wenn der Inanspruchnahme des Betreibers der Webseite jede Erfolgsaussicht fehlt und deshalb andernfalls eine Rechtsschutzlücke entstünde. Die Inanspruchnahme des Seitenbetreibers ist hier unterblieben, weil nach Angaben der Klägerinnen sich dessen Identität nicht der Webseite entnommen werden konnte. Die Klägerinnen trugen allerdings nicht vor, weiteres unternommen zu haben, die Identität des Betreibers festzustellen. Das hätte sie aber tun müssen, etwa durch Einschaltung der staatlichen Ermittlungsbehörden oder durch Beauftragung einer Detektei oder anderer Unternehmungen, die Ermittlungen im Zusammenhang mit rechtswidrigen Angeboten im Internet durchführen. Damit wies der BGH die Revision der Klägerinnen zurück.

Als bitterer Nachgeschmack der Entscheidung bleibt allerdings die Möglichkeit, dass unter bestimmten Bedingungen Accessprovider zu Netzsperren verpflichtet sein können. Diese Pflicht tritt nach Ansicht des BGH ein, wenn der Inanspruchnahme des Seitenbetreibers oder des Hostproviders jede Aussicht auf Erfolg fehlt. Zuvor muss der Accessprovider in die Störerposition geraten, indem er von den rechtswidrigen Inhalten, die aufgrund seiner Dienstleistung abgerufen werden können, in Kenntnis gesetzt wird und er sie dem Zugriff nicht durch Netzsperren entzieht. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Zugangssperre, ob sie als DNS- oder IP-Sperre erfolgt, nur teilweise den Zugriff auf die rechtsverletzenden Daten verhindert, weil die Sperren umgangen werden können. Der BGH verweist auf den EuGH, nach dem die Maßnahmen nur hinreichend effektiv zu sein brauchen, um einen wirkungsvollen Schutz des Grundrechts auf Eigentum sicherzustellen. Auch dass von der Sperrung rechtmäßige Inhalte erfasst und so Unschuldige in Mitleidenschaft gezogen werden, steht dem nicht zwingend entgegen, da für die Frage der Effektivität der Sperrmaßnahmen nicht auf ihren Einfluss auf die Gesamtheit der Zugriffe auf im »eDonkey«-Netzwerk vorgehaltene illegale Dateien abzustellen ist, sondern auf die Auswirkungen der Sperren für den Zugriff auf die konkret beanstandeten Webseiten. Kritik an dem BGH-Urteil ergibt sich nach Ansicht von Rechtsanwalt Thomas Stadler allerdings schon bei der Frage der Kausalität zwischen der Gewährung des Internetzugangs und der Urheberrechtsverletzung. Der BGH meint, die Beklagte habe durch die Vermittlung des Zugangs einen adäquat kausalen Beitrag zu der vom Berufungsgericht festgestellten Urheberrechtsverletzung geleistet. Für Stadler fehlt es aber an dieser Kausalität, weil die eigentliche Rechtsverletzung das Einstellen und Bereithalten des Werkes ist, woran der Accessprovider nicht mitwirkt. Die Mitwirkung am Abruf eines Werkes durch einen Kunden des Accessproviders stellt überwiegend keine Urheberrechtsverletzung dar, da keine relevante urheberrechtliche Nutzungshandlung vorliegt und der Abruf dem privaten oder sonstigen eigenen Gebrauch dienen dürfte. Stadler findet noch weitere Kritikpunkte, die zu berücksichtigen wären.

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